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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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Kamera nach ihren Anweisungen. Zuerst die wartenden Lkws, dann den langen breiten Bürgersteig mit dem Radweg und den Platanen, dann den Sattelschlepper mit den Stahlträgern, das Rad, das Blut, die Plane, das Entsetzen.
    »Mensch, Vatta, was tun wir hier?«, flüsterte Kalle. »Das dürfen wir doch nicht!«
    Mager setzte die Kamera ab, wischte sich durchs Gesicht, schniefte und vergaß den Griff nach seinen Zigaretten.
    »Jetzt hört mal zu!« Susannes Stimme war so hart, dass sie schmerzte.
    »Guckt euch das genau an. Nirgends ein Warnschild am Radweg! Diese Spur hier unten und der tief eingedrückte Bordstein. Kuckt mal, wie die Lkws hier wieder rausgefahren sind: Der Grünstreifen in der Straßenmitte ist von den Rädern zerwühlt. Denn der Winkel hier unten am Damm ist viel zu spitz, als dass die Laster sich nach rechts in den Verkehr einreihen konnten – die mussten quer über die erste Fahrbahn auf die nächste und dann nach links wegziehen. Seht ihr irgendwo eine Ampel? Einen Einweiser mit Kelle in einer orangenen Jacke? Glaubt ihr, dass das hier erlaubt ist?«
    Klaus und Kalle schwiegen. Grübelten. Suchten. Fanden nichts.
    »Ja, das da unten ist schrecklich. Aber wir machen hier keinen Film über einen rücksichtslosen Lkw-Fahrer. Der konnte das Fahrrad nicht kommen sehen. Der hatte die Bäume im Rückspiegel. Und die Kiste ist so breit – der konnte sich nicht mal weit genug vorbeugen, um auf den Radweg zu sehen. Das wird kein Film über einen Unfall, sondern über ein Verbrechen!«
    Mager atmete tief durch, aber Susanne war noch etwas aufgefallen.
    »Guckt mal nach links. Der Büropark da ist schon fast fertig. Aber ausgerechnet dieses schwer erreichbare Haus wird als letztes gebaut. Und warum fahren die Lkws hierher? Weil die nicht den schönen Teil des Büroparks beschmutzen sollen. Das könnte Kunden abschrecken. Und der Lärm würde die Manager bei ihrer wichtigen Arbeit stören. Deshalb musste das Kind da unten sterben.«
    79
    »Dynamit?«
    Jürgen Lurich starrte ungläubig auf die geöffnete Holzkiste, die in dem kleinen Rundbunker kühl und trocken abgestellt war.
    »Hören Sie, Herr Lohkamp: Diese Kiste habe ich noch nie gesehen. Unsere alten Vorräte waren alle aufgebraucht. Vor Jahren schon. Von diesem Zeug hier hatte ich wirklich keine Ahnung.«
    Wirklich – diese Beteuerung war in den meisten Vernehmungen ein Indiz dafür, dass der Verdächtige log oder doch zumindest etwas verschwieg, was ihn belasten konnte. Hardenberg nahm deshalb eine der Stangen heraus und hielt dem Bauingenieur die Beschriftung unter die Nase: »Können Sie das lesen? Ich zwar nicht, aber da steht bestimmt nicht ›Frühlingsrolle‹ drauf. Ist nämlich nicht Vietnamesisch, sondern Russisch.«
    »Russisch stimmt zufällig. Aber die Bulgaren haben dieselben Buchstaben. Das ist Kyrillisch.«
    Die Beiläufigkeit, mit der Lurich diesen Hinweis gab, und der spöttische Unterton ließen zwei Schlüsse zu: völlige Unschuld oder hohe Schauspielkunst. Lohkamp tendierte in diesem Moment eher zu der zweiten Möglichkeit und sah dem Baumenschen in die Augen: »Was meinen Sie: Wie kommt das Zeug hierher?«
    »Weiß nicht. Mir fällt nur eine Erklärung ein: Korolenko. Hat in Afghanistan gegen diese Idioten gekämpft, die Lesen und Schreiben für Teufelskunst halten. Er hat immer gute Verbindungen zu den russischen Soldaten gehabt, die uns vor dem Abzug aus dem Osten dieses Zeug verkauft haben.«
    »Und Sie waren nie hier im Bunker?«
    »Wieso? Vitali ist ein zuverlässiger Mann«, sagte er und verzog schmerzlich das Gesicht. »Dachte ich zumindest. Er hat die Schlüssel gehabt und sich um das Grundstück gekümmert. Möchte nicht wissen, wer hier zwischendurch alles gewohnt hat.«
    »Hauptsache, die Miete hat gestimmt?«
    Lurich schaute Lohkamp beleidigt an und sparte sich eine Antwort.
    »In Ihren Büchern sind die Mieteinnahmen jedenfalls nicht verzeichnet«, bohrte der Hauptkommissar nach.
    »Kleckerbeträge.«
    Alles Kinderkacke, dachte Lohkamp. Aber jetzt brauchen wir diesen Ukrainer.
    »Okay. Geben Sie uns das Kennzeichen des Peugeot!«
    »Kann ich Ihnen sagen, Chef«, grinste Hardenberg und rasselte die Buchstaben und Ziffern eines Bochumer Kennzeichens herunter. »Stimmt’s?«
    Lurich nickte.
    »Baujahr?«
    »Zweizwei oder zweidrei. Juri hat den Wagen letztes Jahr gebraucht gekauft.«
    »Fahndung, Chef?«, fragte Hardenberg.
    »Ja. Gib alles durch. Besondere Aufmerksamkeit auf der A 2 nach Berlin.«
    Der lange Kommissar

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