Achsenbruch
dichtgemacht. Außen schick, innen die Cholera. Aber hier«, sagte er mit einem letzten Rundblick durch den Hausflur, »hat dieser Korolenko oder jemand anders zumindest den verderblichen Müll entsorgt.«
Er schloss ab und lief mit Klemm zur Straße. Wenn es in der Elendshütte noch echte Sensationen gab – die Techniker von der Spurensicherung würden sie entdecken.
Hardenberg und Lurich saßen bei einer Tasse Kaffee scheinbar einträchtig im Büro des Geschäftsführers, wo es eine recht bequeme Sitzgruppe für vier Personen gab. Der Lange blätterte gerade einen grauen Aktenordner durch und der Bauingenieur lieferte die nötigen Erläuterungen, wenn der Polizist mit dem Zeigefinger auf diese oder jene Stelle tippte.
»Und?«, fragte Lohkamp.
Hardenberg klappte den Ordner zu und deponierte ihn bei den drei anderen, die auf dem kleinen Tisch in der Mitte lagen.
»Rein arithmetisch«, sagte er nach einem Blick auf den Rechner seines Nokia-Handys, »kann ich so auf die Schnelle nichts finden. Aber Hösel muss sich noch mal die Einzelposten ansehen. Sieht so aus, als wäre man hier früher mit Dynamitstangen auch auf Mückenjagd gezogen.«
»Mit Verlaub«, wandte Lurich ein, »das können doch nur Spezialisten beurteilen.«
»Keine Bange«, meinte der Kommissar und lächelte spöttisch, »wir haben welche.«
Die Tür öffnete sich und Lurichs Frau balancierte ein Tablett mit zwei gut gefüllten Kaffeetassen herein, Milchtöpfchen und Zuckerdose daneben. Tadelnd blickte sie auf ihren Gatten: »Dass du den beiden hier keinen Platz anbietest! Bitte, Herr Lohkamp, setzen Sie sich. Und Sie auch, junge Frau.«
Bei der Anrede zuckte Kathrin leicht zusammen. Gewöhnlich nutzten junge Kassiererinnen diese Worte, wenn sie älteren Damen bei der Suche nach Centstücken im Portemonnaie helfen wollten. Aber die Lurich durfte es sich wohl leisten, sie musste die Mitte der Fünfzig erreicht haben.
Ihr Mann wartete ab, bis der Hauptkommissar ein paar Tropfen von seiner Tasse abgetrunken hatte, dann sagte er, während er demonstrativ die Anzeige seiner Armbanduhr prüfte: »Herr Lohkamp, mit diesen Akten sind wir wohl vorerst durch. Wäre schön, wenn Sie meine Arbeitszeit nicht unnötig in Anspruch nehmen. Was möchten Sie noch wissen?«
Der Hauptkommissar rümpfte die Nase: »Da draußen sieht es im Moment nicht so aus, als bliebe viel Arbeit liegen.«
Der Bärtige zog es vor, diesen Satz nicht zu kommentieren.
»Wo waren Sie in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli?«
Lurich sah überrascht auf: »Vorletztes Wochenende? Von Sonntag auf Montag?«
Lohkamp nickte.
»Mann! Das war der Montag, an dem die Bombe hochging. Wo schon? Wahrscheinlich im Bett bei meiner Frau.«
»Wahrscheinlich – oder sicher?«
»Fragen Sie Doris. Die kennt meine Termine besser als ich.«
Kathrin stand auf und huschte ins Vorzimmer, wo Lurichs Frau inzwischen wieder das tote Telefon bewachte. Nach zwei Minuten kam sie zurück und nickte nur.
»Gut. Nehmen wir mal an, dass Sie geschlafen haben. Ihrem Laden hier geht es beschissen, wie Sie es meinem Kollegen am Freitag erzählt haben.«
»Wenn Sie es so nennen wollen.« Lurich würgte irgendeinen Krümel herunter, der sich in seine Speiseröhre verirrt hatte. »Aber es stimmt. Kaum Aufträge, viele Entlassungen. Korolenko habe ich auch schon die Kündigung überreicht – Ende September wäre Schluss gewesen.«
»Aber warum dann die Bombe bei der OB und nicht bei Potthoff?«
Lurich fuhr auf: »Jetzt ist aber gut. Woher soll ich das wissen? Ich habe mit dieser Attentatsgeschichte nichts zu tun. Und gegenüber Sonnenschein hatte ich kein Motiv.«
»Gegenüber Potthoff aber?«
»Ich hätte nicht getrauert, wenn es ihn erwischt hätte. Aber damit wäre ich in Bochum und Umgebung nicht allein gewesen. Der Mann ist korrupt wie eine alternde Hure. Trotz allem: Mord ist nicht mein Ding.«
»Aber das Dynamit auf Ihrem Gelände da drüben stammt aus Russland. Das LKA wird es mit den Spuren vergleichen, die wir vor Sonnenscheins Haus gefunden haben. Was, wenn es übereinstimmt?«
»Herr Lohkamp, noch mal: Ich hatte von dem Zeug im Bunker keine Ahnung.«
»Gut, dann bleibt nur Korolenko. Kann es sein, dass er zwei Häuser verwechselt hat? Dass ihm jemand gesagt hat: Charlottenweg, ganz am Ende, das quer stehende Haus. Und er ist in den falschen Teil der Straße gefahren? Vielleicht sollte er ja doch Ihren Freund Potthoff erledigen?«
»Wieso? Unser Hauptkonkurrent ist nicht Potthoff, sondern
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