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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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wieder in den Behälter zurückstopfte, glaubte sie, ein kleines metallisches Geräusch zu hören. Also kippte sie alles wieder aus und durchsuchte die blaue Hose. Im ersten Zugriff – Fehlanzeige. Aber dann stülpte sie die Taschen nach außen. In ihre Hände fiel ein Metallring, etwa so groß wie ein altes Fünf-Mark-Stück, an dem zwei kleine Schlüssel blinkten.
    »Ich suche mal seinen Briefkasten und seinen Keller«, rief sie und verschwand treppab, kehrte aber schon nach zwei Minuten enttäuscht zurück: »Die passen nirgends.«
    Am Ende trafen sie sich wieder im Wohnzimmer und jeder fand für sich, dass die anderen schwer deprimiert aussahen. Alles umsonst?
    »Das wär’s wohl«, sagte Klemm und suchte ihr Mobiltelefon, um ihrem Freund zu melden, dass der Feierabend nahe sei. Nach dem Entsperren stopfte sie das Gerät jedoch in ihre Schultertasche zurück: »Jungs, wir haben in der ganzen Wohnung kein Telefon gefunden.«
    Ohne Begeisterung gingen sie wieder auf die Suche und Kathrin entdeckte, was sie vorher übersehen hatte: das Telefon. Auf den ersten Blick kaum sichtbar, hatte Korolenko es mit der Basisstation halb unter das Bett geschoben.
    »Und wo ist die Steckdose?«
    Kathrin folgte der Schnur und dann fand sie, was sie suchte: »Hinter dem Nachttisch. Verdammt!«
    Sie zog die ganze Anlage unter dem Bett hervor. Das Display zeigte zwei Nachrichten an; beide waren offenbar alt, da kein Lämpchen blinkte.
    »Mach!«, sagte Lohkamp.
    Klemm drückte auf Play . Die erste Nachricht war über zwei Wochen alt. Eine Frauenstimme, sehr warm, sehr emotional – aber auf Russisch oder Ukrainisch.
    »Die Übersetzer werden sich freuen«, meinte Hardenberg. »Los, mach weiter!«
    »Zweite Nachricht, Donnerstag, 20.   Juli.« Ein Knacken, dann eine Männerstimme, Deutsch: »Hallo, Vitali. Der dicke Mann aus dem Charlottenweg hat mir erzählt, dass Lurich dir die Kündigung geschickt hat. Ich hätte Verwendung für dich. Eine gut bezahlte Stelle im Bochumer Norden. Aber vorher musst du mir einen kleinen Dienst erweisen. Ruf mich doch an …« Und dann folgte eine lange Handynummer.
    »Noch mal zum Mitschreiben«, flüsterte Hardenberg. »Das war vier Tage vor dem Attentat!«
    84
    Die Zusammenkunft der Montagsrunde nahm an diesem Abend einen denkwürdigen Verlauf. Sie begann damit, dass Carlo Uebermuth – noch mit Hut und Mantel – den Versammlungsraum durcheilte und den Fernseher einschaltete, der in der hintersten Ecke des Raumes aufgebaut war: schön hoch, damit man bei Fußballübertragungen auch auf den entfernten Plätzen jedes Foulspiel mitbekam.
    »Was ist los mit dir, Carlo?«, witzelte Flessek, die Moderatorin der Lokalzeit Ruhr übertönend. »Der VfL ist aufgestiegen. Und montags spielt nur die zweite Liga.«
    »Tolle Information«, knurrte Uebermuth. »Aber jetzt haltet mal die Klappe!«
    Diese Aufforderung war überflüssig: Auf dem Bildschirm tauchte Bochum auf. Genauer gesagt: die Königsallee, die eigentliche Prachtstraße der Stadt. Aber die Bilder, die dort gezeigt wurden, konnten niemandem gefallen: das Verkehrschaos am Vormittag, der Sattelschlepper mit den Stahlträgern, die Plane über der Leiche, die Blutflecken auf dem Bürgersteig und der Wortwechsel zwischen Bleifinger und seinem Bauleiter.
    »Dieser Zynismus ist doch nicht zu überbieten!«, meldete sich einer der Leute aus dem Vorstand der Stadtbank. »Wenn …«
    »Scht!«, machte Uebermuth.
    »Selbstverständlich«, verkündete die Moderatorin nun, »müssen wir im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung auch die andere Seite hören. Am Telefon begrüße ich Herrn Bleifinger in Bochum. Sie haben den Beitrag soeben zu Hause mitverfolgt. Möchten Sie den Bericht kommentieren?«
    »Das muss ich sogar«, versicherte der Gefragte, während ein Archivfoto eingeblendet wurde. »Ihr Beitrag ist völlig tendenziös zusammengeschnitten. Natürlich bedaure ich den Zwischenfall zutiefst und habe der Familie des Kindes bereits mein Beileid übermitteln lassen. Mein Bauleiter hatte den klaren Auftrag, die Zufahrt verkehrstechnisch einwandfrei abzusichern. Das ist, wie wir bedauerlicherweise feststellen müssen, unterblieben. Damit hat mein Angestellter das in ihn gesetzte Vertrauen irreparabel untergraben, sodass ich die Zusammenarbeit mit ihm fristlos beendet habe. Vielen Dank aber an den Sender für die Fairness, mir diese Stellungnahme zu ermöglichen. Guten Abend!«
    » Mann, ist der abgebrüht«, platzte Klotzeck heraus und es entstand

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