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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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Kopfende des Tisches, dass alle alles sehen konnten.
    Am Anfang strahlte die Leuchtschrift Villa Eden auf. Dann fuhr ein Benz vor, dem drei Männer entstiegen, die allen bekannt waren. Ein Raunen bei den Zuschauern, das sich noch steigerte, als der Hummer ins Bild kam und Bleifinger sowie drei professionelle Damen ausspuckte – und laute Schreie begleiteten die Schlusssequenz mit dem betrunkenen Polizeipräsidenten in der Mitte.
    »Woher hast du das denn?«, fragte Uebermuth schließlich.
    »Kam per Mail von einer anonymen Adresse«, sagte Lina Tenberge. Dann blickte sie in Richtung Flessek: »Was meinst du, Dieter: Sind das alles Doppelgänger?«
    85
    Eisenach, die Raststätte mit den alten DDR-Kontrollgebäuden. Er hatte getankt, sich einen Kaffee und eine Currywurst geholt und zwei Schachteln Kippen. Jetzt stand er etwas abseits von der Tankstelle, aber noch nicht so tief im Dunkeln, dass er sofort auffiel.
    Der Kaffee würde ihn wach halten und das Fleisch seinen Magen besänftigen. Pissen ging er am besten auf einem dieser Parkplätze mit dem kaum kaputtbaren Interieur, in denen es keinen Klomann und keine Klofrau gab – und auch keine Videoüberwachung.
    Drei Stunden Nachtfahrt lagen hinter ihm, drei weitere würde er noch schaffen.
    Kurz vor Dresden hatte er mal gelegen und ein paar Leute aus seinem Regiment waren dort hängen geblieben. Kolja war von allen der Zuverlässigste gewesen. Sein Fahrer auf dem BTR 70, mit dem er Soldaten durch halb Afghanistan gekarrt hatte, bevor es ihn beim Aussteigen am Knie erwischt hatte.
    Kolja – ja, der würde ihn den Tag über bei sich aufnehmen, damit er selbst und sein Auto von der Straße kamen. Er könnte ausschlafen. Und wenn Kolja sich nicht gerade einen neuen Audi gekauft hatte, würde er den Wagen tauschen können, damit ihn nicht jeder Bulle zwischen Dresden und Ushgorod sofort erkannte.
    Kolja würde nicht so eine Enttäuschung sein wie Sergej in Hagen. Obwohl sie den Peugeot sofort in die Garage gestellt hatten, litt Sergej den ganzen Tag unter Muffensausen. Er hatte ihm zwar in der Stadt eine ordentliche Hose und eine neue Jacke besorgt, damit er endlich den Blaumann ausziehen konnte, und sogar ein neues Handy. Aber als Korolenko bei Einbruch der Dunkelheit wieder losgefahren war, hatte der Feigling sich wohl zuerst den Angstschweiß weggewischt und drei Kreuze geschlagen.
    Hol ihn der Teufel, dachte Korolenko, während er den Wagen erneut startete. Und hol der Teufel auch diesen Idioten Potthoff, der seinen Namen an Bleifinger weitergegeben hatte. Dieser Rosstäuscher! Nur einen kleinen Gefallen tun, damit er einen neuen Job bekam. Mal eben eine kleine Sprengfalle mit dem alten Lastwagen legen. Und dann noch die Dynamitstangen in den Keller dieses Ägypters schmuggeln. Wer weiß, wie viele weitere dieser kleinen Gefallen noch auf ihn gewartet hätten.
    Wieso habe ich das nur gemacht?, fragte er sich und dachte an die Zustände in seiner Heimatstadt. Legale Arbeit gab es da wenig. Aber in diesem Vierländereck zwischen Romania, Polska, Slovakia und Ukraina wäre er nicht verhungert. Gab genügend halb legale Jobs dort, die gut bezahlt wurden und fast ungefährlich waren. Hätte jede Nacht bei Tanjuschka liegen können. Hätte …
    Er steckte sich eine an, wedelte den aufsteigenden Rauch mit einer Handbewegung aus seinem Gesichtsfeld, konzentrierte sich wieder auf die Straße. Aber bald wurde er fünfundfünfzig. In diesem Alter waren all die Schmugglerdeals doch langsam zu anstrengend. So war er für ein paar Euro mehr in Deutschland geblieben, wo er zwar nie heimisch geworden war, aber doch einen ruhigeren Job schieben konnte. Und wie konnte er nur diesem Bleifinger glauben, dass die Bullen nie auf ihn kommen würden, weil niemand ihn mit Sonnenschein oder diesem Ägypter in Verbindung bringen würde.
    Einfach idiotisch!
    Eine weitere Zigarette später raste er schon an Gotha vorbei. Wenn es nur nicht wieder anfing zu regnen. Nachts auf nassen Straßen – das war eine Qual. Aber er musste zumindest bis Dresden kommen. Hinter sich hatte er eine Spur gelegt, der die Polizei auch ohne Spürhund folgen konnte: Geld abheben in Hagen, Tanken in Lüdenscheid, Nachtanken in Eisenach. Wenn er doch nur genug Bargeld in der Tasche gehabt hätte! Aber er war froh, zumindest das Portemonnaie bei sich zu haben, und sein Pass klemmte sowieso immer im Auto unter dem Fahrersitz.
    Erfurt. Vor ihm zwei Vierzigtonner, die sich ein Elefantenrennen lieferten – der eine fuhr

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