Achsenbruch
und eine kurze Metallstange, die mit einer grauen Masse befleckt war. Diese Fundstücke hielten sie nun dem Hauptkommissar triumphierend unter die Nase.
»So’n Quatsch!«, meldete sich die Bäuerin von ihrem Logenplatz aus. »Die Schrauben stammen von unserem alten Trecker, den mein Mann vor ein paar Wochen ausgeschlachtet hat. Und das andere Teil? Sieht aus wie die Gebissstange aus einem Pferdegeschirr. Und das graue Zeug da drauf ist kein Gehirn, sondern Taubenkacke!«
Bevor Lohkamp im Präsidium den Sitzungssaal aufsuchte, steuerte er die Räume des KK 11 an, wo Thalbach noch am Computer saß: »Was gefunden?«
Katharina nickte: »Beißner, Lukas Paul, 15. 11. 48 in Gütersloh. Studium in Bonn, Abschluss 1977 mit Gut.«
Lohkamp stieß einen anerkennenden Pfiff aus: Eine glatte Zwei war bei Juristen so selten wie ein Schalke-Sieg über Bayern. Aber wieso versauerte solch ein Mensch in Hattingen?
»Habe ich mich auch gefragt«, meinte Thalbach, »zumal er schon als junger Kerl ein paar richtig gute Stellen hatte, Rechtsdezernent in Duisburg und Bielefeld, Stadtdirektor in Gütersloh …«
»Und?«
»Nix ›und‹. Fehlanzeige. Vor acht Jahren hat er den öffentlichen Dienst verlassen und wurde in Hattingen Partner eines alteingesessenen Notars, dessen Kanzlei er jetzt allein weiterführt.«
»Und wieso ist er so weit weg vom Ruhm gelandet?«
Thalbach lächelte: »Erstens hat er in Hattingen nicht schlecht verdient. Und zweitens ist er wohl Romantiker gewesen. Vielleicht wollte er ja nur in Sonnenscheins Nähe sein.«
»Vielleicht reicht nicht«, murrte Lohkamp und kramte in seinen Jackentaschen nach einer Zigarette, die er sich in den Mundwinkel schob.
»Horst!«, mahnte Thalbach. »Wir haben …«
»Ich weiß. Aber trocken rauchen ist noch nicht verboten.«
Er zog einen Stuhl heran und setzte sich rittlings darauf: »Und was sagen die Archive des BKA und der Landeskriminalämter zu Beißner?«
»Nichts!«
Drei Minuten später hatte sich im Sitzungssaal eine illustre Runde versammelt. Polizeipräsident Flenner übernahm höchstpersönlich den Vorsitz, obwohl er von Ermittlungsarbeit keine Ahnung hatte und auch nicht ansatzweise damit befasst war. Aber er wollte sich mit dem Verweis auf die reichlich aufgefahrenen Getränke als perfekter Gastgeber erweisen und gleichzeitig darüber wachen, dass der ›gute Ruf Bochums‹ nicht ruiniert wurde. Dabei ging es vor allem darum, die Führung der Bochumer Polizei, die regionalen Unternehmer sowie die lokalen Möchtegernpolitiker vor jedem Schuldvorwurf in Schutz zu nehmen.
Mit blumigen Worten begrüßte Flenner die Bundesanwältin Dorn und »die anderen Gäste aus Karlsruhe« und erteilte dann seinem neuen Lieblingsbeamten das Wort.
Lohkamp, der ausnahmsweise direkt zur Rechten des Präsidenten sitzen durfte, brauchte keine zehn Minuten, um die bis zu diesem Zeitpunkt rekonstruierten Geschehnisse und die eingeleiteten Ermittlungen zu referieren.
Die Bundesanwältin meldete sich. Im Sitzen größer als fast alle anderen Kerle am Tisch, thronte sie wie eine Sphinx dem Präses gegenüber, sehr beherrscht, mit durchgedrücktem Kreuz: »Wenn ich das richtig verstanden habe, dann suchen Sie ein Tatmotiv im Umfeld Ihrer Oberbürgermeisterin.«
Wie beiläufig pflückte sie sich beim Reden eine unsichtbare Fluse von ihrer Nadelstreifenjacke.
»Danach suchen wir noch gar nicht, Frau Dorn. Wir rekonstruieren, was passiert ist, und suchen zu diesem Zweck nach möglichen Zeugen.«
»Dabei helfen wir Ihnen gerne«, versicherte sie. »Aber was ist mit den Hintergrundermittlungen?«
»Woran denken Sie dabei?«
»Sprengstoffdelikte sind ja nicht allzu häufig. Und haben nur selten einen privaten Hintergrund …«
Sie ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen und Lohkamp spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Kam jetzt die Besserwissernummer, die er schon einige Male erlebt hatte? Die meisten Karlsruher, die hier dienstlich eingefallen waren, hatten sich so aufgeführt, als wäre das Land zwischen Ruhr und Lippe plötzlich eine badisch besetzte Zone geworden.
»Aller Erfahrung nach werden solche Attentate meist aus politischen Motiven oder von kriminellen Organisationen begangen.«
»Frau Bundesanwältin, diese Rede können Sie sich für die Pressekonferenz sparen«, hörte Lohkamp sich sagen. »Wir sind zwar hier in Bochum, aber deswegen noch lange nicht blöd.«
Die Runde schwieg. Flenner rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her, die
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