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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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Sonnenschein den Arm um die Schulter: »Irmhild, Liebes, es ist ja so traurig!«
    Die Polizistin hatte plötzlich die Vision, als Statistin in einer Seifenoper zu stehen. Wenn das echtes Mitgefühl sein sollte …
    Die OB sah im ersten Moment so aus, als wollte sie wirklich in Tränen ausbrechen, doch dann fasste sie sich: »Danke, Lina. Gut, dass du kommst.«
    »Das ist doch selbstverständlich! Wie schrecklich das alles ist! Ich helfe dir, wo ich nur kann. Deine offenen Termine habe ich fast alle abgesagt. Den verbliebenen Rest übernehme ich. Du brauchst dir, was das betrifft, um nichts Sorgen machen.«
    Sonnenschein nickte und wirkte dabei wie ein verlorenes Kind.
    »Danke. Weißt du, wo … wo ich im Moment wohnen kann?«
    »In einem Gästehaus der Uni. Habe ich schon arrangiert. Du bekommst da vorerst ein kleines Appartement. Eine vernünftige Telefonleitung wird bereits installiert. Soll ich dich rüberfahren?«
    »Moment«, schaltete Thalbach sich ein. »So einfach geht das nicht!«
    Die Blondine, schon halb zum Gehen gewandt, sah die Polizistin an, als musterte sie einen lästigen Bettler. Sie war es nicht gewohnt, dass jemand ihre Pläne umwarf. »Und weshalb nicht, wenn ich fragen darf?«
    Thalbach blieb unbeeindruckt und wies mit dem Kopf zum Explosionsort hinüber: »Frau … äh, wie war Ihr Name?«
    »Lina Tenberge. Ich bin die Stellvertreterin der Oberbürgermeisterin.«
    »Frau Tenberge, wir wissen bis dato nicht mal, wem der Anschlag galt. Falls Frau Sonnenschein das Ziel war und die Täter merken, dass sie lebt, werden sie einen neuen Versuch starten. Es ist unsere Aufgabe, das zu verhindern! Das werden Sie doch sicher verstehen. Warten Sie kurz hier.«
    Sie lief zu Lohkamp hinüber und zog ihn aus dem Gespräch mit dem Rechtsmediziner heraus: »’tschuldigung. Aber es eilt.«
    Lohkamp hörte ihr zu und nickte: »In Ordnung. Darum kümmern wir uns am besten sofort.« Er schaute sich suchend um.
    »Lass Hardenberg und Klemm mit den beiden Frauen fahren. Die sind ein eingespieltes Team. Sie sollen sofort melden, wo Sonnenschein untergekommen ist. Die können ihr auch helfen, sich einzurichten. Gegen Abend werden sie abgelöst. Noch was: Was weißt du über Beißner?«
    »Nix!«
    »Dann geht’s dir wie mir. Der Fahrer konnte mir auch nicht viel sagen. Tu mir den Gefallen und fahr ins Präsidium. Ich will alles über ihn wissen. Fang bei Google an und geh dann in unsere elektronischen Archive. Und vergiss die Straftäterdatei nicht.«
    »In Ordnung. Bis später.«
    Lohkamp lächelte. Hier oben hatte er alles im Griff. Schaun wir mal, was das Bäuerchen da unten weiß. Und er setzte sich in Bewegung.
    Das eintönige Rauschen, das von der Königsallee herüberdrang, wurde von dem dumpfen Knattern eines Motors unterbrochen. Direkt über den Baumreihen tauchte ein Transporthubschrauber der Bundespolizei auf und kreiste über dem Tal. Dann hatte sich der Pilot entschieden und setzte auf der größten Wiesenfläche zur Landung an.
    Noch bevor der EC 155 den Boden berührte, stoben sieben oder acht Pferde aus dem Baumschatten in der Nähe des lärmenden Fluginstruments hervor. Angeführt von einer schlanken schwarz-braunen Stute rannten sie in wildem Galopp den Weidezaun entlang auf die Straße zu.
    »Ach du liebe Scheiße«, murmelte einer der Polizisten, die an der rot-weißen Polizeiabsperrung neben dem Bauernhaus standen.
    In diesem Augenblick hob das Leittier ab. Die Stute hatte den Moment verpasst, in dem sie noch hätte abbiegen können. Mit lautem Wiehern versuchte sie, über das Gatter zu springen, das den Weg auf die Straße versperrte. Während die anderen Pferde scheuten und nach rechts flüchteten, blieb die Schwarz-Braune mit den Hinterhufen am obersten Querbalken der Sperre hängen. Die vorderen Kniegelenke schlugen hart aufs Pflaster, das Tier überschlug sich und prallte auf die Straße vor dem Bauernhaus.
    Lohkamp, die beiden Polizisten und die Zuschauer hinter der Absperrung standen wie gelähmt, während der französische Eurocopter ein halbes Dutzend in weiße Kittel gehüllte Gestalten ausspuckte.
    »Sind die Leute denn des Wahnsinns?«
    Ein kleiner dicker Mann mit rot angelaufenem Gesicht stürzte aus dem Bauernhaus auf die Straße und näherte sich vorsichtig dem Pferd, das mit gebrochenen Vorderläufen auf der Seite lag.
    »Kacke, verfluchte! Ausgerechnet Flöhchen!« Er näherte sich dem Widerrist der Stute und tätschelte vorsichtig ihren Hals, den Blick auf die geschundenen

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