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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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wieder ans Tageslicht zurückzufinden. Auf der fünften Sohle fanden sie endlich einen freien Parkplatz und quetschten sich samt ihrer Ausrüstung in den nächsten Aufzug. Die Kabine beförderte sie ins Foyer des Erweiterungsbaus hinter dem Rathaus, in dem nicht nur ein paar Ämter untergebracht waren, sondern auch Stadtbibliothek und Volkshochschule.
    »Die Ratsfraktionen?«, echote die Pförtnerin nach Magers Frage. »Die finden sie drüben. Im Altbau. Aber ob sie jemanden in der Mittagspause antreffen …«
    Durch den Hintereingang betraten sie das Rathaus und suchten die Büros der Ratsfraktionen. Bei der Sonnenschein-Partei tippte eine einsame Sekretärin auf einer PC-Tastatur herum – ihre verheulten Augen ersparten jede weitere Nachfrage. Ein Ratsherr der Radwegepartei, seit Kurzem Sonnenscheins Koalitionspartner, äußerte sich vor ihrer Kamera entsetzt über die Zunahme der Gewalt in der Politik, war aber nicht bereit, konkreter zu werden. Mager hätte ihn gern an die Bomben auf Belgrad erinnert, aber die Fragen stellte seine Chefin.
    Die Schwarzen zeigten sich zutiefst entsetzt und forderten eine schnelle Aufklärung der Hintergründe. Die Linken befanden sich schon in der Mittagspause – aber an der verschlossenen Tür hing immerhin ein Trauerflor.
    »Diesen Schwachsinn hätten wir uns schenken können!«, konstatierte Kalle.
    »Bochum ist eben Provinz«, konstatierte Mager. »Wohin gehen wir: Grieche oder Chinese?«
    Bevor Susanne und Kalle ihm antworten konnten, klopfte dem Kameramann plötzlich jemand auf die Schulter. Mager drehte sich um und sah ein von wildem Bartwuchs umwuchertes Gesicht, das mindestens so alt war wie sein eigenes.
    »Mann«, staunte er, »wie viele Jahre ist das her?«
    »Mindestens fünfundzwanzig.«
    Susanne schaute Mager fragend an und der stellte den Mann vor: »Erich Angel, einst für Spartakus im Studentenparlament.«
    »Und jetzt für die Demokratische Liste im Rat der Stadt.«
    »So etwas gibt es hier?«
    »Gibt es. Und was treibst du in meinem Revier?«
    Mager stellte das Team und ihr Anliegen vor. Sein Exgenosse kraulte sich ratlos den Bart: »Wenn ihr ein Statement haben wollt, könnt ihr eins hören. Aber ich weiß auch nicht mehr als die meisten in diesem Haus. Bin gerade dabei, meine Fühler auszustrecken. Und warte die Pressekonferenz der Polizei ab.«
    »Verstehe.« Susanne lächelte ihn an. »Aber die Bochumer Innereien sind uns nicht allzu geläufig. Wie wäre es mit ein paar Hintergrundinformationen?«
    »Gern – aber nicht jetzt. Habt ihr morgen Mittag Zeit? Auf ein Salätchen vorm Konkret oder Orlando?«
    » Orlando «, entschied Mager und fing sich einen Blick seiner Chefin ein.
    »Wartet!« Der Ratsherr zückte eine Visitenkarte: »Falls euch was dazwischenkommt …«
    Winkend zog er davon.
    Mager nahm seine Kamera wieder auf und meinte nicht ohne Stolz: »Ist doch gut, wenn man so viele Leute kennt.«
    »Ja«, antwortete Susanne. »Nur schade, dass du im falschen Verein warst. Meine Leute sitzen im Bundestag.«
    »Stimmt. Aber die haben vergessen, wo das Ruhrgebiet überhaupt liegt.«
    11
    Kurz nach ein Uhr flog ein zweiter Hubschrauber nach Bochum ein. An Bord befanden sich eine Vertreterin des Generalbundesanwalts und eine kleine Gruppe von Ermittlern, die sich auf einer Wiese am Polizeipräsidium absetzen ließen. Sprengstoffdelikte gehörten automatisch zum Ermittlungsbereich von Bundesanwaltschaft und BKA, wo man ohnehin stets glaubte, den Bochumer Provinzbullen auf die Sprünge helfen zu müssen. Kaum eingetroffen, verlangten die Damen und Herren eine ausführliche Zwischenbilanz – was bedeutete, dass Lohkamp und ein paar seiner Leute vorzeitig vom Tatort in die Backsteinfestung hinter dem Bergbaumuseum zurückkehren mussten.
    Die spinnen doch komplett, dachte Lohkamp, als ihn der Ruf ins Präsidium erreichte. Missmutig ließ er sich bergab treiben und näherte sich wieder dem Bauernhaus. Das tote Pferd war weggeschafft worden, die Blutflecken auf dem Boden mit Sägemehl getarnt, das sich langsam rot färbte. Statt des Bauern lag nun seine korpulente Frau im Wohnzimmerfenster und beobachtete das Treiben auf den Weiden. Dort war zum zweiten Mal eine Einsatzhundertschaft damit beschäftigt, jeden Quadratzentimeter nach Tatspuren abzusuchen. Unter Lohkamps Leitung hatten die Leute morgens bereits zweihundertachtundsiebzig verdächtige Objekte ausgemacht. Aber die BKA-Leute aus dem ersten Hubschrauber erbeuteten dicht am Haus noch zwei Radmuttern

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