Acht Tage im August
bayerischen Kultusbürokratie.«
»Die bleibt mir heute erspart, das Auersperg Gymnasium ist privat«, bemerkte Assauer und machte sich auf den Weg.
»Zeitverschwendung«, rief Hammer ihm nach.
»Auf besonderen Wunsch unserer verehrten Frau Dr. Gerstmann«, tönte es vom Gang zurück.
»Eben drum«, murmelte Hammer.
Er beschloss, sich vorsorglich aus der Schusslinie zu bringen, für den Fall, dass die Gerstmann auch bezüglich seiner Tagesplanung ›kreativ‹ wurde. Sein erster Weg führte ihn zwei Räume weiter ins Labor der Spurensicherung zu Bert. Mit den Worten: »Da hast du was für deinen kindlichen Spieltrieb«, räumte er inmitten des Sammelsuriums von Instrumenten, Geräten und Gimmicks auf Berts Labortisch einen Platz frei und legte Annas Handy und ihren Laptop dorthin.
»Grab dich mal da rein, wir müssen wissen, mit wem das Mädchen Kontakt gehabt hat. Anrufe, SMS, E-Mails, das ganze Programm halt.«
Bert, der ihn vom Schreibtisch aus über den Rand seiner Zeitung beobachtet hatte, stellte seine Kaffeetasse auf eine per USB-Anschluss beheizte Warmhalteplatte, ließ das Blatt sinken und meinte: »Hammer, du Banause, merk dir endlich, dass ich hier mein Genie auslebe und nicht meinen Spieltrieb. Auch wenn ich zugebe, dass die nah beieinanderliegen.«
»Und nah beim Wahnsinn!«
»Zu dem du mich regelmäßig treibst, Hammer!«
»Ein Guter hält’s aus …«
»… und um einen Schlechten ist’s nicht schad’, ich weiß. Gibt’s was Besonderes, auf das ihr spitzt?«
»Ja, wir müssen wissen, wer der Freund von dem Mädchen war. In ihrem Zimmer haben wir nichts gefunden. Wahrscheinlich haben sie einander bloß per Handy oder E-Mail kontaktiert oder über dieses Scheiß-Facebook.«
»Mein lieber Hammer, verachte mir Facebook nicht! Seit unsere Kundschaft da ihr Mitteilungsbedürfnis auslebt, ist mir schon mancher ins Netz gegangen, bloß weil seine Finger auf der Tastatur schneller waren als sein Hirn.«
»Stimmt auch wieder. Also schau, was du findest, und sag Bescheid.«
»Pressiert’s?«
»Mir schon, aber der Gerstmann nicht, kapiert?«
»Kapiert. Gegenüber der Gerstmann geb ich die Dinger als kryptografisches Fort Knox aus.«
»Dann hau ich jetzt ab. Und wenn wer nach mir fragt, ich bin beim Ermitteln.«
Er wandte sich zum Gehen, aber Bert hielt ihm die Zeitung vor die Nase.
»Schon gelesen?«, fragte er.
Hammer nickte.
»Der Thomas auch?«
»Ja, und er ist prompt explodiert wie ein Schweizer Kracher.«
»Dann hab’ ich den Lärm aus Richtung Büro Gerstmann vorhin ja richtig gedeutet.«
»Kennst ihn ja«, schloss Hammer das Gespräch und überließ Bert seinem Genie.
Er nahm die Treppe nach unten statt des Aufzugs, damit er nicht am Büro der Gerstmann vorbeimusste, rannte draußen mit den Worten: »Sauwetter, mistig’s« durch einen heftigen Schauer zum Auto und verließ Passau in Richtung Rasting. Es konnte nicht schaden, dem Pfarrer und vor allem seinem jungen Adlatus, in dessen Jugendgruppe Anna gewesen war, ein paar Fragen zu stellen.
Zwischen diesen beiden spielte sich just zu diesem Zeitpunkt der zweite Krach an diesem Vormittag ab. Johannes hatte fassungslos miterlebt, wie Pfarrer Arnsberger sich rundheraus weigerte, Anna zu bestatten. Eine Selbstmörderin auf seinem Friedhof, hatte er den schockierten Eltern brüsk erklärt, das komme unter gar keinen Umständen infrage. Schon gar nicht, da Anna seine Kirche, wie er sich ausdrückte, als Mittel zu dem verwerflichen Zweck missbraucht habe, das ihr vom Allmächtigen geschenkte Leben wegzuwerfen. Gerade deshalb könne er es den Menschen in seiner Gemeinde nicht zumuten, diese Selbstmörderin neben deren Angehörigen zu bestatten.
Annas Vater war nach diesen Worten aufgesprungen und hatte sich so drohend vor Arnsberger aufgebaut, dass Johannes fürchtete, er werde ihn mit seinen Pranken in Stücke reißen. Doch Friese sagte bloß, von einem Pfarrer, der dermaßen von Mitleid und Barmherzigkeit verlassen sei, werde er sein Kind ohnehin nicht begraben lassen. Dann war er mit seiner hemmungslos weinenden Frau im Arm gegangen.
Als die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, kratzte Johannes allen Mut zusammen und ging Arnsberger heftig an: »Wie können Sie Anna ein christliches Begräbnis verweigern!«, rief er erregt. »Das ist ungeheuerlich! Sie, Herr Pfarrer, wissen doch ganz genau, dass das kanonische Recht längst die Bestattung von Selbstmördern erlaubt. Haben Sie denn kein Mitgefühl mit den Eltern,
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