Achtmal kam der Tod Kommissar Morry
warf Morry leise ein. „Einer wird also auf jeden Fall die anderen überleben. Das sollte Ihnen zu denken geben.“
Inspektor Winter raschelte nervös mit seinen Papieren. Die wenigen Worte hatten ihn völlig aus dem Konzept gebracht. Verwirrt suchte er nach einem neuen Anfang.
„Diese Kapseln“, sagte er, „stellen doch für den, der sie besitzt, ein unermeßliches Vermögen dar. Er könnte sie an eine fremde Macht verkaufen. Wenn dieser Täter sein Leben und seine Freiheit aufs Spiel setzte, um an diese kostbaren Kapseln zu kommen, warum verwendet er sie dann jetzt als Mordwaffe? Eine Patrone oder ein Dolch kämen ihm doch viel billiger?“
Kommissar Morry sagte nichts. Er rührte zerstreut in seiner Fleischbrühe. Dann und wann nahm er einen kleinen, genießerischen Schluck. Seine Ruhe brachte Inspektor Winter buchstäblich auf die Palme.
„Habe ich nicht recht, Sir?“, fragte er drängend. „Bitte, sagen Sie mir Ihre Meinung!“
„Nun“, brummte Morry lächelnd. „Eine Kapsel würde dem Täter zur Not ja auch genügen, nicht wahr? Vergessen Sie nicht, daß er ja auch die Formeln und Berechnungen gestohlen hat. Ein guter Chemiker wird die Kapseln nach diesen Berechnungen ohne Schwierigkeiten wieder herstellen können. Vielleicht ist dem Täter diese Mordwaffe sehr sympathisch, verstehen Sie? Mit einer Pistole oder einem Dolch müßte er sehr nahe an seinen Gegner heran. So aber kann er im Hintergrund bleiben. Sie brauchen nur an Clark Digby zu denken. Die Kapsel wurde von oben in den Treppenschacht hinuntergeworfen. Clark Digby bekam also seinen Mörder nicht einmal zu Gesicht.“
„Das stimmt, Sir“, sagte Inspektor Winter respektvoll. „Wir haben es anscheinend mit einem Feigling zu tun. Mit einem Mann, der zwar das Äußerste wagt, aber dennoch im Dunkel bleiben will. Glauben Sie, daß dieser Schurke unter den Ingenieuren der Jaspers Werke zu suchen ist?“
„Ja, das halte ich für wahrscheinlich. Sie wußten um die Arbeiten Leslie Carrons am besten Bescheid; sie kannten sein Laboratorium und die Räume seines Hauses. Sie allein wußten, welch außerordentlichen Wert diese Triebsatzproben besitzen. Aber zurück zu dem Mordfall. Haben Sie schon ein Motiv dafür?“
Inspektor Winter nickte eifrig. „Ja, Sir“, stieß er hastig hervor, „Clark Digby hat noch gestern in aller Öffentlichkeit behauptet, daß man Edward Clifton zu Unrecht aus den Werken entlassen habe. Er erzählte, daß er den wahren Täter kennen würde, der damals in den Schreibtisch des Büros eingebrochen ist. Dieser Mann aber, so scheint es mir, ist auch der Dieb, der die Kapseln aus dem Tresor im Laboratorium holte. Er hatte also alle Gründe, den gefährlichen Zeugen aus der Welt zu schaffen.“
„Stimmt“, sagte Kommissar Morry grübelnd. „So sehe auch ich die Sache an. Erzählen Sie weiter!“
Inspektor Winter zuckte mit den Achseln. „Sonst gibt es nicht viel zu berichten, Sir. Von den sechs Ingenieuren, die als Täter in Frage kommen, scheidet Leslie Carron von vornherein aus. Er hat sich sicher nicht selbst bestohlen. Auch Edward Clifton können wir weglassen, denke ich. Er ist ja nach Meinung Clark Digbys unschuldig gewesen. Bleiben also noch vier Männer übrig. Von diesen vier Männern muß einer der Täter sein. So weit, so gut, Sir! Aber es wird viel Zeit und Mühe kosten, unter diesen vier Leuten den Mörder herauszufinden.“
„Ich würde an Ihrer Stelle Edward Clifton nicht so einfach von der Liste der Verdächtigen streichen“, sagte Kommissar Morry gedehnt. „Ganz im Gegenteil! Ich würde ihn Tag und Nacht beschatten lassen.“
Inspektor Winter machte kugelrunde Augen. „Aber Clark Digby behauptete doch, daß er den Dieb beim Einbruch überrascht habe. Dieser Mann sei klein und zierlich gewesen und..."
„Clark Digby kann sich getäuscht haben“, sagte Morry kurz. „Ich würde jedenfalls rein instinktmäßig die Fährte dieses Mannes im Auge behalten. Er gefällt mir nicht.“
„Und warum nicht, Sir?“
Kommissar Morry schob seine Tasse zur Seite und zündete sich eine Zigarette an.
„Männer, die ihre Frauen betrügen“, sagte er dann, „sind nach meiner Erfahrung auch zu allen anderen Taten fähig. Die ewigen Lügen machen sie innerlich faul. Bei Edward Clifton kommt noch hinzu, daß er seit seiner Entlassung kaum über das nötige Bargeld verfügt. Wie kann er sich also eine so teure Freundin leisten? Ich wiederhole: Wie kann er diese anspruchsvolle Tänzerin mit seinen paar
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