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Achtung BABY!

Titel: Achtung BABY! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Mittermeier
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beeinträchtigt das sicher die Entwicklung. Da kommt man sich doch vor wie ein Stück Käse.
    »Der ist aber lecker, riech mal. Willst du auch ein Stück?«
    Ich hatte mir fest vorgenommen, meine Tochter nie als Schnüffelprobe anzubieten. Und dann roch ich unser Baby zum ersten Mal: »Sniiifffffffffff. Wooaaah!«
    Wie nach einem ersten Schuss Heroin wurde ich sofort süchtig nach dem überwältigenden Geruch. Es benebelte meine Sinne und berührte mein Herz. So roch mein Baby, mein Fleisch und Blut. Lilly duftete nach leckeren Erdbeersahnebonbons, so süßlich milchig. Es ist mit nichts zu vergleichen. Ich habe versucht, den Geruch in Plastiktüten abzufüllen, um für uns einen Vorrat für später anzulegen, aber es hat nicht funktioniert. Das könnte eine Idee sein für eine Baby-Splatter-Version von »Das Parfum«: Ein wahnsinniger Vater sammelt Düfte unschuldiger Babys und – nein, so was geht gar nicht. Und natürlich war der Geruch stärker als die Moral. Ich konnte es nicht verhindern, obwohl ich mich tief in mir drinnen gewehrt habe. Jeder, der bei uns zur Tür reinkam, wurde überfallen: »Willst du mal an ihr riechen? Zieh doch mal rein.«
    Aber dann begann bei Lilly etwas zu stinken. Der Nabel. Wenn die Nabelschnur durchgeschnitten wird, bleibt erst mal ein kleiner Rest an der Bauchnabelstelle dran. Einen richtigenBauchnabel bekommen Babys erst, wenn dieses Stück abfällt und die offene Stelle zuwächst. Und dieses Stück totes Gewebe verhält sich wie liegen gelassenes Grillfleisch. Es verwest. Ich kam mir ein bisschen vor wie in einer Handlung vom Verwesungskrimischreiber Simon Beckett.
    Nach »Die Chemie des Todes« und »Leichenblässe« kommt jetzt »Nabelfäule«. In einer unschuldigen Kleinstadt verschwinden nach und nach Dutzende Nabel und tauchen dann tot an ausgefallenen Orten auf. Nur der Papa-Forensiker Mike Hunter kann die verwesenden Zusammenhänge erkennen und kommt einem Serienentnabler auf die Spur.
    Während der Nabel so langsam wegwuselt (ich mag das Wort lieber als wegfault), kann man wenig machen. Man gibt Babypuder drauf, damit er sich nicht entzündet oder eitert. Erst wenn er abfällt, ist er weg. Und die offene Stelle, die riecht, nein, das reicht nicht, die stinkt nach verfaulter Schnecke. Beim Wickeln dringt dieser Modergeruch in deine Nase – oooh, sofort eine Dosis Babyhals: »Sniiifffffffffff.«
    Ich kann Schnecken eh nicht abhaben. Auch unverfault gehören sie nicht zu meinen Lieblingshaustieren. Ich musste mal als 19-Jähriger am Neujahrsmorgen, oder sagen wir lieber Mittag, Bekanntschaft mit Schnecken als Nahrungsmittel machen. Meine Mutter dachte, es sei eine super Idee, als Familie am Neujahrsmittag zusammen zu essen, und hatte dafür etwas ganz Besonderes besorgt: Schnecken. So kleine Schnecken in Förmchen mit einer Art Provence-Soße, und dann überbacken. Vielleicht war es der Gedanke, mal etwas Esskultur in unsere bayrische Kleinstadtstube zu bringen. Der Satz »Perlen vor die Säue werfen« traf nicht ganz zu. Du könntest auch deiner Perle vorwerfen, eine Sau zu sein, und trotzdem glauben, dass sie dich gern hat. Bitte, liebe Mütter, versucht das mit den Schnecken nicht! Es funktioniert nicht. Allein der Anblick läutete die nächste Aufwärmphase meines Silvesterrauschs ein. Ich habe mich sofort geweigert, auch nur zu kosten: »Das schmeckt mir nicht.«
    Aber Mütter vertreten immer den positiven Approach: »Probier doch wenigstens mal.«
    »Da brauche ich nicht zu probieren.«
    »Dann weißt du gar nicht, ob es dir schmeckt.«
    Ich wollte es auch nicht wirklich wissen. Manche Dinge weiß man einfach, da braucht man keinen Beweis. Augen und einige Synapsenverbindungen im Gehirn können manchmal ein guter Ratgeber sein. Als ich mal mit meinem guten Freund Sven in New York beim Chinesen saß, bestellte er Qualle.
    »Qualle?! Hast du sie noch alle?«
    »Das steht hier auf der Karte.«
    »Ich hab’s auch gelesen. Aber bei mir hat das nichts ausgelöst.«
    »Da heißt es ›Special of the Day‹.«
    »Das glaub ich sogar.«
    »Ich habe noch nie Qualle gegessen.«
    »Wahrscheinlich aus gutem Grund.«
    »Mir ist heute mal nach was Neuem.«
    »Aber Qualle ist doch eher was ganz Altes. Als wir Menschen noch im Meer gelebt haben, da haben wir mit Quallen Karten gespielt, aber wir haben uns nicht gegenseitig gegessen.«
    Es ging hier nicht um gekochte oder gegrillte Qualle. Roh. Ja, roh! Und dann brachte der nette Ober die Qualle. Ich denke, es war nicht nur eine. Auf

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