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Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Titel: Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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drei Münzen darstellen. Der große Vorteil dieser Formulierung besteht darin, dass sie sehr leicht verständlich ist. Das Beispiel ist subtil, aber nicht diffizil. Zwei dieser Münzspiele sind Verlustspiele für den Spieler und die Kombination dieser beiden Verlustspiele wird sich als Gewinnspiel entpuppen. Wir stellen zunächst die Spiele vor und kümmern uns dann um eine Erklärung. Die Münzen sind teils auf einer Seite etwas schwerer und fallen deshalb mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten auf die eine oder andere Seite. Sie sind unsymmetrisch.
    Bei Spiel 1 gewinnt man mit 50 %iger Wahrscheinlichkeit einen Euro und mit der gleichen Wahrscheinlichkeit verliert man einen Euro. Im Spielkasino könnte also eine einfache symmetrische Münze geworfen werden, mit Gewinn für den Spieler etwa bei
Kopf
und Verlust bei
Zahl
.
    Spiel 2 ist etwas aufwendiger. Hierbei werden zwei unsymmetrische Münzen eingesetzt. Welche als Nächstes geworfen wird, hängt vom bisherigen Spielverlauf ab. Hat der Spieler in denbisherigen Spielen einen Geldbetrag gewonnen, der durch 3 teilbar ist, so wird im Spielkasino Münze A geworfen, die für den Spieler äußerst ungünstig ist und ihm nur eine Wahrscheinlichkeit von 1/10 für den Gewinn und eine Wahrscheinlichkeit von 9/10 für den Verlust eines Euro bietet. Ist der bisherige Gewinnbetrag hingegen kein Vielfaches von 3, wird vom Kasino eine für den Spieler günstige Münze B geworfen, bei der er mit Wahrscheinlichkeit 3/4 einen Euro gewinnt und mit Wahrscheinlichkeit 1/4 einen verliert.

    Abbildung 32: Parrondos Münzspiele
    Wie sind diese beiden Spiele 1 und 2 einzuschätzen?
    Sei
K n
der nach n Spielen gewonnene Betrag mit dem Anfangswert
K 0
= 0.
    Bei Spiel 1 ist der mittlere Erlös

    Im Mittel gibt es also weder Gewinn noch Verlust bei diesem Spiel. Die Mathematiker nennen so etwas ein
faires
Spiel.
    Die Analyse von Spiel 2 gestaltet sich komplizierter. Zunächst scheint es bei flüchtiger Prüfung, dass in einer langen Serie diesesSpiels die Münze A in circa einem Drittel aller Runden zum Einsatz kommt. Doch dieser Eindruck erweist sich bei genauerem Nachdenken als falsch. Ist nämlich
K n
= 3k für eine natürliche Zahl k, so geht mit großer Wahrscheinlichkeit (d.h. mit Wahrscheinlichkeit 9/10) die nächste Runde verloren und wir gelangen zu
K n
+1 = 3k – 1. Dann wird die Münze B ausgespielt mit einem voraussichtlichen (mit Wahrscheinlichkeit 3/4) Gewinn für den Spieler. Damit ist mit großer Wahrscheinlichkeit
K n
+2 = 3k erreicht und die Münze A kommt abermals zum Einsatz. Nach dieser Überlegung scheint die Münze A langfristig öfter als nur bei einem Drittel der Runden eingesetzt zu werden, und in der Tat bestätigt eine quantitative Analyse, dass Münze A langfristig in 5/13 aller Runden geworfen wird. Das bedeutet mithin, dass der langfristige Ertrag von Spiel 2 für den Spieler das mit 5/13 und 8/13 gewichtete Mittel der durchschnittlichen Erträge der Münzen A und B ist. Der Ertrag von Münze A liegt bei

    d.h., sie verzeichnet einen Verlust von im Mittel 8/10 Euro pro Wurf. Der Ertrag von Münze B ist

    Das ist ein Gewinn von im Mittel 1/2 Euro pro Wurf. Daraus errechnet sich der langfristige Ertrag von Spiel 2 zu

    Das bedeutet, auch Spiel 2 ist ein faires Spiel. Im Durchschnitt wird vom Spieler weder ein Gewinn erzielt noch ein Verlust erlitten.
    Etwas Erstaunliches, ja logisch Ungeheuerliches stellt sich ein, wenn das Kasino dem Spieler erlauben würde, diese beiden fairen Spiele 1 und 2 zu kombinieren, etwa durch den Wurf einer symmetrischenMünze entscheiden zu lassen, ob Spiel 1 oder Spiel 2 als Nächstes gespielt wird. Jedes der beiden Spiele hat dann die Wahrscheinlichkeit 1/2, in jeder Spielrunde an der Reihe zu sein. Durch diese Zufallswahl zwischen den beiden fairen Spielen erhalten wir langfristig – ein Gewinnspiel!
    Ich hoffe, Sie finden dies genauso faszinierend wie ich. Zwei durch einen simplen zufälligen Mechanismus in der Form eines Münzwurfs kombinierte faire Spiele, die im langfristigen Mittel keinen Gewinn abwerfen, werden zu einem Gewinnspiel. Aus welchen Gehirnwindungen treten solch geniale Ideen hervor?
    More drama, Baby.
Doch es wird noch furioser. Wenn man nun die beiden fairen Spiele durch eine winzige Veränderung in die Defizitzone schiebt, sie mithin zu Verlustspielen macht, ist der Effekt noch atemberaubender. Das ist kurz davor, Kunst zu sein. Oder Zauberei. Es ist leicht erreichbar, indem bei Spiel 1 und Spiel 2

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