Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
jeweils eine kleine Teilnahmegebühr erhoben wird, die so gering ist, dass ein Gewinn beim kombinierten Spiel im Mittel erhalten bleibt. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Gewinnwahrscheinlichkeit aller drei Münzen zu reduzieren. Nicht zu arg allerdings, in geregeltem Pegel, etwa um die Winzigkeit von c = 0,005. In beiden Fällen bekommen wir es mit zwei Verlustspielen 1 und 2 zu tun, die zum Gewinnspiel 3 kombiniert worden sind.
Darf ich vorstellen? Das ist Parrondos Paradoxon. Es wurde erdacht vom spanischen Mathematiker und Physiker Juan Parrondo. Wie Phönix aus der Asche erhebt sich aus zwei Miseren eine Gunst. Ein veritabler Circulus vitiosus, der zum Glückskreislauf umgebogen wird und dann Verluste in Gewinnschübe umkehrt. Und zwar so, dass es zu einem langfristigen echten Bilanzüberschuss von Gutem über Ungutes kommt. Mathematische Alchemie ist das, die auch manch austrainierten Denkersmann baff macht. Schwerst cool könnte man es mit einem Ausdruck aus dem Irgendwo zwischen Hoch- und Höherdeutsch nennen.
Wir verlieren uns empor.
Kann man das gemischte Spiel, also die durch Münzwurf kombinierten Verlustspiele 1 und 2, hinreichend lange spielen, wird man beliebig reich werden. Es ist eine unerschöpflich sprudelnde Geldquelle. Das ist eigentlich unglaublich.
Wir führen deshalb eine Simulation durch, stellen also die Wirklichkeit nach, um zu sehen, ob der Effekt real ist. Dabei veranschlagen wir nun bei Spiel 1 die Gewinnwahrscheinlichkeit 0,495 sowie 0,095 bei Münze A und 0,745 bei Münze B. Damit haben wir die angesprochene Reduktion der Gewinnwahrscheinlichkeiten um c = 0,005 vorgenommen.
Abbildung 33: Verlauf der Erträge bei den Spielen 1, 2, 3, gemittelt über je zehntausend Spielserien der Länge 100
In der Simulation wurden die Spiele 1, 2, 3 von einem Computer jeweils 100 Runden lang ausgespielt, und zwar zehntausendmal. Dann wurden die Ergebnisse über diese zehntausend Versuchsreihen gemittelt. Es ergeben sich die Kurven in Abbildung 33. Spiel 1 und Spiel 2 verlieren wie erwartet Geld. Spiel 3 ist das, was man modern als Wertschöpfungskette bezeichnen könnte.Funktional gesprochen, ist es die kalte Fusion von Verlust und Verlust zum Gewinn.
Abbildung 34: «Es ist eine staatlich finanzierte Studie, die feststellen soll, wie viele Falsche ein Richtiges ergeben.» Cartoon von Marty Bucella.
Sehnsucht nach besserem Verlust.
Nun ist es an der Zeit, ein paar Wermutstropfen einzuschenken. Leider ist nämlich die beschriebene Spielweise in einem Kasino der realen Welt nicht von Nutzen, da zwecks Ausnutzung des Parrondo-Effektes die Gewinnchancen eines der Spiele davon abhängen müssen, wie viel Geld der Spieler bereits gewonnen hat. Doch kein Kasinospiel der Welt ist von diesem Zuschnitt. Schade, leider.
Die Theorie von Theorie und Praxis
In der Theorie gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In der Praxis schon.
Yogi Berra
Man kann übrigens die beiden Verlustspiele auch noch anders als durch Münzwurf miteinander koppeln, um zu einem Gewinnspiel zu kommen. Die einfachste Möglichkeit ist diejenige, ganz simpel zwischen ihnen abzuwechseln und die Serie in der Reihenfolge Spiel 1, Spiel 2, Spiel 1, Spiel 2, … ablaufen zu lassen.Wir wollen jetzt in einem Seitenflügel des Kapitels dazu ein konkretes Beispiel durchrechnen:[ 17 ]
Mit einer leicht überbeschleunigten Rechnung vergleichen wir explizit die Erträge einer Spielserie von sechs Runden mit Spiel 1 bzw. mit Spiel 2 und einer ebenfalls sechsrundigen Serie der abwechselnd kombinierten Spiele.
Alles auf Anfang.
In Spiel 1 gewinnt man bei
Kopf
und die Wahrscheinlichkeit dafür ist 0,495. Die Wahrscheinlichkeit für einen Verlust bei
Zahl
ist entsprechend 0,505. Wenn man sechsmal Kopf wirft, gewinnt man 6 Euro. In gebenedeiter Einfachheit ist die Wahrscheinlichkeit dafür gleich
0,495 × 0,495 × 0,495 × 0,495 × 0,495 × 0,495 = 0,0147.
Wirft man fünfmal Kopf und einmal Zahl – und es gibt 6 Möglichkeiten, das zu tun –, dann gewinnt man 4 Euro. Die Wahrscheinlichkeit für diesen 4-Euro-Gewinn ist das Produkt
6 × 0,495 × 0,495 × 0,495 × 0,495 × 0,495 × 0,505 = 0,0900.
Entsprechend kann man die Wahrscheinlichkeit für einen Gewinn von 2 Euro (viermal Kopf und zweimal Zahl), 0 Euro (dreimal Kopf und dreimal Zahl), minus 2 Euro (zweimal Kopf und viermal Zahl), minus 4 Euro (einmal Kopf und fünfmal Zahl), minus 6 Euro (null Mal Kopf und sechsmal Zahl) ausrechnen. Insgesamt ist der
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