Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
Kopfwürfe
Abweichung von n/2
Relative Häufigkeit der Kopfwürfe
Abweichung von 0,5
20
14
4
0,7
0,2
40
26
6
0,65
0,15
60
36
6
0,6
0,1
80
47
7
0,5875
0,0875
100
56
6
0,56
0,06
120
66
6
0,55
0,05
140
77
7
0,55
0,05
160
89
9
0,55625
0,05625
180
100
10
0,5556
0,0556
200
111
11
0,555
0,055
Tabelle 17: Ergebnis einer Münzwurfserie der Länge 200
Aus prozeduraler Sicht lässt sich unsere Behandlung des Themas als Mehrphasenprozess verstehen. In der nun folgenden Phase bemühen wir den Computer. Noch deutlicher werden Annäherung und Nichtannäherung in einer Computersimulation, die für drei Münzwurfserien von jeweils 1000 Würfen den Verlauf der relativen Häufigkeiten zeigt.
Abbildung 43: Drei vom Computer simulierte Münzwurffolgen mit jeweils 1000 Würfen
Bei der zuoberst verlaufenden Kurve und deren zugehöriger Münzwurfserie gab es unter den ersten 100 Würfen genau 57 Kopfwürfe, unter den ersten 500 dann 268 und nach 1000 Würfen insgesamt 525 Kopfwürfe. Die absoluten Abweichungen vom Mittelwert sind also 7, 18, 25 Würfe, während gleichzeitig die zugehörige Folge der relativen Häufigkeiten (0,57 und 0,536 und 0,525) in ihren Abweichungen von 0,5 abnimmt. Das hier entscheidende konträre Verhalten von absoluten und relativen Häufigkeiten können wir auch geometrisch-anschaulich verdeutlichen.
Abbildung 44:[ 21 ] Absolute und relative Abstände vom theoretischen Mittel
Das Diagramm 44 ist instruktiv, versinnbildlicht es doch ganz nachhaltig, dass und wie beim Verlauf der Häufigkeiten eine Zunahme des absoluten Abstands vom Mittel (denn es ist
b
>
a)
bei gleichzeitiger Abnahme des relativen Abstands vom Mittel möglich ist, hier gemessen durch einen aussagefähigen Winkel (denn es ist α > β). Es ist ein eingängiges Bild mit denkstrukturell scharf profilierter Gestalt, ein kognitiver Blickfang.
Dem Spieler-Fehlschluss begegnet man in vielen Situationen des täglichen Lebens. Er hat auch einen kurzen Auftritt in dem Bestseller-Roman
Garp und wie er die Welt sah
von John Irving. Nachdem ein Kleinflugzeug in das Haus kracht, das Garp und seine Frau sich gerade wegen eines möglichen Kaufs ansehen, kommentiert der Titelheld dieses Malheur so: «Wir nehmen das Haus, Schatz. Die Wahrscheinlichkeit, dass noch ein weiteres Flugzeug irgendwann in dieses Haus kracht, ist astronomisch gering. Es hat schon seine Desaster-Erfahrung. Wir werden hier sicher sein.»
Das Zeug für den Flug
Zwei Mathematiker sitzen im Flieger und unterhalten sich. Sagt der eine: «Sind Sie nicht besorgt, ein Flugzeug zu benutzen? Die Statistik lehrt doch, dass die Wahrscheinlichkeit heutzutage sehr hoch ist, dass sich eine Bombe an Bord befindet.» Sagt der andere: «Genau das denke ich auch. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Bomben an Bord sind, ist ausgesprochen gering. Und eine habe ich selber dabei.»
Wahrlich eine bombastische Lösung des Terrorismus-Problems!
Abbildung 45: «Damokles, hier steht, dass 95 % aller Unfälle zu Hause passieren.» Cartoon von Andrew Toos.
Der Spieler-Fehlschluss steht in enger Beziehung mit einem anderen Denkfehler, den wir als Persistenz-Fehlschluss bezeichnen wollen. Es sind zwei entgegengesetzte Missverständnisse über das Verhalten des Zufalls. Angenommen, eine symmetrische Münze wird geworfen und zeigt dreimal
Kopf
(KKK). Der SpielerFehlschluss besteht dann in der Annahme, dass für den nächsten Wurf der Münze die Wahrscheinlichkeit für
Zahl
gestiegen ist und also größer als 1/2 ist. Die gegenteilige Sicht, nämlich der Glaube daran, dass
Kopf
gerade eine Glückssträhne hat und wegen dieses Laufes nun auch die Wahrscheinlichkeit für einenweiteren Kopfwurf größer als 1/2 sein muss, ist der Persistenz-Fehlschluss. Beide Denkweisen sind falsch.
Die Tatsache, dass Menschen aufgrund derselben Informationslage (hier drei aufeinanderfolgender Kopfwürfe) konträre Erwartungen bezüglich des nächsten Wurfs an den Tag legen, also einige wegen des Spieler-Fehlschlusses eher einen Ausfall
Zahl
erwarten und andere wegen des Persistenz-Fehlschlusses eher einen Ausfall
Kopf
, ist seit Jahren Thema in der psychologischen Forschung über Auffassungen von Zufälligkeit. Viele Fragen wurden in diesem Kontext untersucht. Einige wollen wir referieren.
Wie verbreitet sind diese Fehlschlüsse?
Die Wissenschaftler Altmann, Falk und Marklein sind dieser Frage 2009 mit einer repräsentativen Stichprobe für die
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