Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
tun hat. Grob gesprochen, besteht dieser Denkfehler darin, die Grundwahrscheinlichkeit eines Ereignisses nicht hinreichend in die Überlegungen und Kalkulationen einzubeziehen, d.h., nicht oder nicht genügend in Rechnung zu stellen, wie groß oder wie klein die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses ist. Am besten: Man macht sich diesen Denkfehler an einigen Vorbildern klar. Das folgende, auf Kahnemann und Tversky zurückgehende, schon mehrfach für Kognitionsstudien verwendete Szenario ist prototypisch:
In einer Stadt sind 85 % der Taxis grün und der Rest ist blau. Eines Nachts ereignet sich ein Unfall mit einem Taxi, bei dem der Taxifahrer Fahrerflucht begeht. Ein Augenzeuge, der den Hergang des Unfalls beobachtet hat, sagt aus, dass das Taxi blau war. Ein Polizist, der im Fall ermittelt, untersucht die Verlässlichkeit des Zeugen und stellt fest, dass dieser nachts wegen Nachtblindheit die Farbe eines Taxis nur mit 80 %iger Wahrscheinlichkeit richtig identifizieren kann. Wie sicher ist unter diesen Umständen die Aussage des Zeugen? Genauer gefragt: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Unfall-Taxi tatsächlich blau war?
Und noch eine zweite, damit eng zusammenhängende Frage sei gestellt. Angenommen, es gibt 200 Taxis in der besagten Stadt. Soll der Polizist zuerst die grünen oder zuerst die blauen Taxis zwecks zügiger Ermittlung des Fluchtfahrzeugs überprüfen?
Abbildung 47: Taxifahrer: «Ich habe Geometrie in der Schule gehasst. Immer dieses dumme Gerede von der kürzesten Entfernung zwischen zwei Punkten.» Cartoon von Bob und Tom Thaves.
Paradoxon im Doppelpack.
Hinsichtlich der ersten Frage würde der Basisraten-Fehlschluss darin bestehen, die Wahrscheinlichkeit,dass das Unfall-Taxi blau ist, bei 80 % anzusiedeln. In mehreren Studien machten viele Menschen diesen naheliegenden Fehler, denn immerhin ist das der Zuverlässigkeitsgrad des Zeugen bei Nacht. Mit dieser Antwort wird aber der Tatsache, dass es nur vergleichsweise wenige blaue Taxis in der Stadt gibt, nicht Rechnung getragen. Das ist aber nötig. Denn immerhin ist die BasisWahrscheinlichkeit – ohne Einbeziehung der Aussage des Zeugen –, dass das Taxi blau ist, mit 15 % recht klein.
Jetzt werden wir wesentlich. Wir starten unseren Suchlauf des Denkens. Wir müssen die Zeugenaussage in die Rechnung einbeziehen. Um zuerst eine Kalkulation mit Wahrscheinlichkeiten ins argumentative Blickfeld zu rücken: Die uns vorliegenden Informationen lassen sich direkt in die folgenden Wahrscheinlichkeiten übersetzen:
P(Taxi war blau) = 0,15
P(Taxi war grün) = 0,85
P(Zeuge sagt: «Taxi war blau»/Taxi war blau) = 0,8
P(Zeuge sagt: «Taxi war blau»/Taxi war grün) = 0,2
Die letzten beiden Wahrscheinlichkeiten sind bedingte Wahrscheinlichkeiten.
Um von hier zu irgendeiner Tat zu schreiten, benötigen wir zwecks Lösungsfindung die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass das Unfall-Taxi blau war, gegeben, dass der Zeuge ausgesagt hat, dass es blau war. Das wäre die Antwort auf die erste gestellte Frage. In Zeichen: P(Taxi war blau/Zeuge sagt: «Taxi war blau»). Diese Wahrscheinlichkeit ist gleich
Wie man zu diesem Ergebnis kommt, lässt sich recht übersichtlich einem geeigneten Baumdiagramm entnehmen. Mit seiner Hilfe bringen wir uns in Form. Das ist die Indienstnahme eines nützlichen Bildes für bildgestütztes Denken: vernünftiger als bloße Vernunft.
Abbildung 48: Baumdiagramm zum Taxi-Beispiel, Rechnung mit Wahrscheinlichkeiten
Bei Einsatz des Baumdiagramms als kognitiver Stütze liegt nämlich auf der Hand: Nachdem der Zeuge verkündet hat, das Unfall-Taxi sei blau gewesen, kommen nur noch die fett markierten, zweiteiligen Pfade im Diagramm in Frage. Die anderen Pfade scheiden aus. Der linke der fett markierten Pfade führt über den Zwischenknoten
und hat eine Wahrscheinlichkeit von 0,15 × 0,80 = 0,12, was nach der Pfadregel durch Multiplikation entlang des Pfades bestimmt wurde. Dieses Produkt ist die Wahrscheinlichkeit, dass einerseits das Unfall-Taxi blau war und zudem der Zeuge aussagt, es sei blau gewesen.
Der rechte der fett markierten Pfade führt über den Zwischenknoten
und hat eine Wahrscheinlichkeit von 0,85 × 0,20 = 0,17. Es handelt sich bei diesem Produkt um die Wahrscheinlichkeit, dass in Wirklichkeit das Unfall-Taxi grün war, der Zeuge aber fälschlich aussagt, es sei blau gewesen.
Diese beiden Wahrscheinlichkeiten von Verbund-Ereignissen, also 0,12 und 0,17, müssen nunmehr noch
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