Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
zwischen drei Alternativen.
Mehrheitswahl
Präferenzen
Prozente
A
B
C
A > B > C
45
45
B > C > A
30
30
C > B > A
25
25
Gesamt
100
45
30
25
Ergebnis
A gewinnt!
Tabelle 20: Mehrheitswahl zwischen drei Alternativen A, B, C.
Die Tabelleneinträge sind so zu lesen: 45 Prozent der Wähler bevorzugen die Alternative (z.B. den Kandidaten) A gegenüber B und B gegenüber C, 30 Prozent bevorzugen B gegenüber C und C gegenüber A, 25 Prozent bevorzugen C gegenüber B und B gegenüber A. Wer gewinnt die Wahl? Bei Mehrheitswahlrecht gewinnt A mit 45 Prozent der Stimmen vor B mit 30 Prozent und C mit 25 Prozent.
Das scheint eindeutig und fair. Eine relative Mehrheit präferiert Kandidat A als erste Wahl.
Doch spielen wir einmal den hypothetischen, aber nicht unrealistischen Fall durch, C hätte als schwächster Kandidat seine Kandidatur wegen Aussichtslosigkeit schon im Vorfeld zurückgezogen. Dann hätten wir es nach Streichung von C mit dieser Situation zu tun:
Mehrheitswahl
Präferenzen
Prozente
A
B
A > B
45
45
B > A
55
55
Gesamt
100
45
55
Ergebnis
B gewinnt!
Tabelle 21: Mehrheitswahl zwischen den beiden Alternativen A und B, wenn C ausscheidet.
Wenn C nicht mehr zur Verfügung steht, fallen die vormals getrennten Präferenzreihungen B > C > A und C > B > A zum Fall B > A zusammen, auf den nun 30 % + 25 % der Wähler entfallen. Die vergleichende Inspektion der Tabellen 20 und 21 lässt erkennen, dass bei einer 3er-Wahl A nur von einer Minderheit von 45 Prozent für Platz 1 favorisiert wird. Diese Minderheit kann sich dennoch als relative Mehrheit durchsetzen, weil die Opposition gegen A gespalten und zu fast gleichen Teilen auf B und C verteilt ist.
Entfällt aber C als Alternative, ist die gesamte Opposition gegen A auf B vereinigt und wird so zur Mehrheitsposition. Zieht C zurück, ist B plötzlich Wahlsieger und nicht mehr A.
Es liegt in der Natur der Sache von Wahlentscheiden, dass diese Art der Sensitivität bei Anwendung eines Wahlsystems sehr störend sein kann. Eine naheliegende Anforderung an alle Entscheidungssysteme und speziell an Wahlsysteme ist deshalb diese:
Wenn A gegenüber B bevorzugt wird in der Auswahlmenge {A, B}, dann sollte die Einführung einer weiteren Alternative C und die damit verbundene Vergrößerung der Auswahlmenge zu {A, B, C} nicht dazu führen, dass nun B gegenüber A bevorzugt wird. Und entsprechend umgekehrt bei Wegfall der Alternative C aus der Auswahlmenge {A, B, C}.
Dieses Setting diente uns nur zum Aufwärmen. Ich hoffe, es hat aber auch die Funktion erfüllt, Ihren Glauben an die Objektivitätvon Wahlsystemen immerhin schon geringfügig zu untergraben.
Um den ganzen Wirrwarr, der bei Wahlen entstehen kann, in melodramatisierendem Breitwandformat aufzuzeigen, wollen wir uns ein wenig mit einem Entscheidungsproblem zwischen vier Alternativen A, B, C, D befassen. Es gibt beliebig viele Anwendungssituationen: Das Internationale Olympische Komitee muss aus vier Bewerbern für eine Olympiade die Ausrichterstadt benennen, oder eine Jury muss aus vier Nominierten den Preisträger auswählen.
Gehen wir nun davon aus, dass jeder Wähler eine Präferenzliste hat. Die Präferenzen der Wähler können wie zuvor übersichtlich in einer Tabelle zusammengefasst werden. Um unsere Argumentation konkret zu machen, nehmen wir folgende Präferenzen des Wahlvolkes an:[ 36 ]
Präferenzen
Prozente
A > B > C > D
10
A > C > D > B
9
A > D > B > C
11
B > C > D > A
22
C > D > B > A
23
D > B > C > A
25
Gesamt
100
Tabelle 22: Präferenzen der Wähler bei vier Alternativen A, B, C, D
Diese Tabelle teilt uns mit: Insgesamt 10 Prozent der Wähler bevorzugen A gegenüber B, B gegenüber C, C gegenüber D. Entsprechendes gilt für die anderen Zeilen bis hin zu 25 Prozent der Wähler, die D gegenüber B, B gegenüber C, C gegenüber A bevorzugen.
Was tun und wie?
Wie kann man aufgrund dieser Präferenzlisten auf faire Weise einen Gesamtsieger küren?
Offensichtlich gibt es Meinungsverschiedenheiten. Keine der vier Alternativen wird von allen gegenüber den anderen Alternativen favorisiert. Die Daten müssen also nach irgendeinem sinnvollen Schlüssel auf eine der Alternativen verdichtet werden. Das ist funktional gesehen der eigentliche Zweck von Wahlsystemen. Prozedural betrachtet, handelt es sich bei Wahlsystemen also um Routinen, die aus einer Kollektion von individuellen Präferenzlisten eine kollektive Präferenzliste erstellen.
Ein beliebtes und weithin
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