Achtung: Die "Monsters" kommen!
könntest du die Fässer aus
dem Versteck holen und in den Heizungskeller stellen. Und natürlich mein Buch,
mein Notizbuch! Aber das schaffst du ja nicht. Und ich — ich liege hier.“
„Määäniii!“ schrie sie im Feldwebelton.
„Bist du betrunken? Wie redest du mit deiner Mutter! Du bist nicht bei Sinnen.
Was haben dir die Ärzte gespritzt? Drogen?“
Schweiß perlte auf seiner Glatze,
Angstschweiß. Trocken der Mund. Und der Apfelsaft — so ein winziges Glas — war
schon ausgetrunken. Unerhört, diese Knauserigkeit, wo er doch Privatpatient
war!
„Ich bin völlig bei Verstand, Mama“,
sagte er böse. „Hör mir jetzt genau zu! Du holst sofort mein Notizbuch aus dem
Versteck. Das muß als erstes ins Haus. Aber wehe, du liest ein Wort! Laß mich
aussprechen! Ich erkläre dir alles. Also, das Versteck...“
Dreimal — immer mit den gleichen Worten
— erklärte er ihr, wo er das Versteck angelegt hatte, wie sie die Bretter
hochheben mußte, daß sie das Notizbuch — das in einer Kollegmappe steckte — an
sich nehmen und ins Knabenzimmer bringen sollte.
Auf Adelheids Fragen antwortete er
nicht. Zum ersten Mal bot er seiner Mutter die Stirn — abgesehen von jenem
Ereignis vor 41 Jahren, als er seinen Spinatbrei nicht essen wollte und durch
nichts zu bewegen war, den Mund zu öffnen.
„Wenn du das gemacht hast, Mama“, sagte
er abschließend, „rufst du dir ein Taxi und kommst hierher. Ja, ins
Gertrauden-Krankenhaus von Bad Gallenfels. Du holst mich ab. Ich muß hier raus.
Ich muß. Doch! Ich schleiche mich einfach weg. Meine Klamotten hängen dort im Schrank,
nehme ich an. Und...“
Er stockte. „Warte mal, Mama!
Vielleicht war alles so verschmutzt, daß sie’s weggetan haben.“
Er kletterte aus dem Bett, bemerkte
erst jetzt, daß er ein krankenhauseigenes Leihnachthemd trug, humpelte zum
Schrank und sah hinein.
Leer!
Wieder am Telefon, sagte er: „Mama,
meine Sachen sind nicht da. Du mußt mir einen Anzug mitbringen, Hemd
undsoweiter. Also, ich warte auf dich. Aber erst schaffst du das Notizbuch ins
Haus!“
23. Eine alte Bekannte
In der Ferne schlug eine Kirchturmuhr.
Tim zählte die Schläge, während er —
über den Rennradlenker gebeugt — radelte: 22 Uhr, bzw. zehn Uhr abends.
Klößchen fuhr neben Tim. Schwarze,
winddurchpeitschte Nacht ringsum. Kein Leben auf der Zubringerstraße zwischen
Großstadt und Internatsschule — auf einer 20-Minuten-Strecke, immerhin.
Die Landwirte hatten Jauche auf den
Feldern und Wiesen verstreut. Die Luft roch ländlich, Dohlen und andere Vögel
hockten tagsüber auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche und suchten sich
Leckerbissen.
Der Abstieg mit der Strickleiter hatte
geklappt wie am Schnürchen. Die Drahtesel standen bereit. Bevor Tim und
Klößchen vorhin aus der Stadt zurückgekommen waren, hatten sie ihre Stahlrösser
beim Bankhaus GREDIT abgeholt, wo sie — angekettet an das Scherengitter des
Seiteneingangs — geduldig gewartet hatten.
Tim dachte an Gaby. Sie war mit ihrem
Vater nach Hause gefahren. Hoffentlich heilte das Handgelenk bald.
„Verdammt!“ rief Klößchen. „Ich werde
noch unglücklich mit der Knete.“
„Was ist?“
„Warum hast du mich nicht daran
erinnert, daß ich die 666 Mark für die afrikanischen Kinder in unserer Bude
lasse?“
„Hast du das Geld wieder bei dir?“
„Immer noch in der Jackentasche. Und
heute nacht kann sonstwas passieren.“
Tim lachte. „Das Geld scheint an dir zu
kleben.“
„Diese Verantwortung schlaucht mich.“
Er quengelte noch eine Weile. Aber Tim
hörte nicht hin.
Sie erreichten die Stadt. Manche
Straßen wirkten wie ausgestorben. Die beiden Freunde nahmen die kürzeste
Strecke zum Luther-Platz, fuhren dann durch die Herrlichwetter-Gasse.
Tim entdeckte Karl schon von weitem.
Daß er mitmachte heute abend, war Ehrensache. Zu Hause abzurücken — das war bei
ihm nie ein Problem. Sein Vater — Professor Vierstein — lebte so sehr in der
Welt der Wissenschaft, daß er kaum merkte, was um ihn geschah. Karls Mutter war
die Gutmütigkeit selbst und immer ganz arglos.
Karl stand bei einem Taxi und
unterhielt sich mit einem Mann.
Spinne ich? dachte Tim. Das ist doch
der Taxifahrer Schlürfel. Platzt ihm der Kragen, wenn er mich erkennt? Oder hat
Karl die Situation vom Nachmittag schon geklärt?
Als sie anlangten, grinste der
Mietdroschkenlenker wohlwollend. Karls Haltung drückte aus: Alles o. k. Um die
gute Stimmung zu fördern, grüßte Tim so freundlich, als
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