Achtung, Gutmenschen!: Warum sie uns nerven. Womit sie uns quälen. Wie wir sie loswerden.
einziges Gebot! Eine Schande, dieser Mangel an Friedensliebe.
12 Uhr. Arbeite an meinem Protestlied für den nächsten G-8-Gipfel. Leider fällt mir morgens nie viel ein. Habe gedacht an etwas, das man sowohl singen als auch im Chor rufen kann. Etwa: Wir sind hier, und wir sind laut, weil ihr uns den Frieden klaut! Klingt für mich total eingängig. Fragt sich nur, ob es für drei Strophen reicht.
13 Uhr. Erst mal frühstücken gehen. Auf der Treppe das fette Ehepaar Müller. Wollen nach Israel reisen. Dann fordern Sie doch bitte vor Ort ein Ende der Siedlungspolitik und der Besatzung!, sage ich. Kapieren die nicht. Oder legen Sie wenigstens ein paar Blumen an die völkerrechtswidrige Grenzmauer! Wollen sie nicht.
14 Uhr. Ich benutze jetzt zwei Sammelbüchsen: «Ohne Rüstung leben» und «Unsere Stadt muss Friedensstadt werden». Klappere damit eine halbe Stunde durch die Fußgängerzone, dann reicht es auf jeden Fall für McDonald’s. Vielleicht sogar für eine neue Gangschaltung, denn die alte zickt. Werde aber nie einen Mercedes kaufen!
15 Uhr. Fotos von unserer Fahrraddemo abgeholt. Blöde, dass es geregnet hat. Dann tauchen drei Viertel der Leute gar nicht erst auf, und es bleiben nur die ewigen Unentwegten: Julia, Sophie, Philipp und ich. Aber auf einem Foto sehen wir super aus, vor unserem Transparent «Für eine Welt ohne Krieg und Militär».
16 Uhr. Im Briefkasten geiles Angebot von Pax Christi: Jugendreise zur Atomwaffenkonferenz in Wien. Nur 75 Euro für eine Woche Übernachtung, Verpflegung, Wien-Ticket! Da könnte ich Laura besuchen! Die Workshops über Atomwaffen und Kampagnenarbeit lasse ich mal aus. Problem: Wie drücke ich mein Alter zehn Jahre runter auf die Obergrenze 25?
17 Uhr. Jetzt ist mir was eingefallen für den Song gegen die G-8-Marionetten: «Sie stört Protest nur, wenn er laut ist. Das ist alles, was sie hören. Sie stört Protest nur, wenn er laut ist, wenn wir auf die Straße gehn!» Reimt sich sogar. Erster Preis für den besten Song wäre ein Reisekostenzuschuss zum G-8-Treffen über 30 Euro, zweiter Preis 20 Euro. Irgendwie mau. Aber alle singen dann mein Lied!
18 Uhr. Stecke Kapitalisten-Müller einen anonymen Zettel hinter den Scheibenwischer: «Ich werde so lange keinen Mercedes kaufen, wie Daimler über Beteiligungen am Rüstungsriesen EADS ins Geschäft mit Streumunition und Raketenwerfern investiert!» Vielleicht semmelt er vor Schreck gegen einen Baum.
19 Uhr. Vortrag im DGB-Haus. «Zwanzig Jahre Ramstein-Katastrophe». Philipp weist nach, dass der Crash damals nur eine Übung der CIA war für die Einäscherung des World Trade Center, die der CIA zusammen mit dem israelischen Geheimdienst organisiert hat. Gewagte These, aber überzeugend. Zum Beweis Vergleichsvideos der beiden Crashs. Verblüffend ähnlich.
21 Uhr. Unsere Aktion am Rathausmarkt: Wir legen eine Friedenstaube aus Teelichtern. Leider ist es ein bisschen windig. Immerhin elf Leute bleiben stehen. Einer davon unterschreibt die Liste für unser Projekt «Stadt des Friedens». Unsere Stadt will friedliebend leben und protestiert gegen die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Leichter Regen setzt ein.
22 Uhr. Treffen bei Julia unter dem Motto «Für den Frieden kochen». Spaghetti mit grüner Soße. Wir sind zu viert. Sophie spricht das Tischgebet: «Unser Mitgefühl gilt in dieser Stunde all den kleinen Organisationen, die auf Graswurzelniveau versuchen, Schuld und Versagen aufzuarbeiten und die Grundlagen für echte Versöhnung aufzubauen.» Die Frau nervt.
23 Uhr. Im «Global Village» Livemusik mit der «Peace Family». Wie immer grauenhaft, weil die Boys nicht üben und diese Yoko-Ono-mäßige Frontfrau haben. Ihre Großmutter soll Hiroshima überlebt haben. Weiß nicht, ob das gut war. Denn singen kann die Frau nicht. Andererseits ist das völkerverbindend: Man ist sich einig im Widerwillen.
0 Uhr. Rette mich auf die Straße. Inzwischen gießt es. Vielleicht kaufe ich mir doch nochmal einen Mercedes, verdammt. Just a little peace on this earth! Man wird ja noch träumen dürfen. Ey, und das wäre vielleicht der Song-Text: Ein bisschen Frieden, ein bisschen träumen, und dass die Menschen nicht so oft weinen! Oder hatten wir das schon mal?
1 Uhr. Ziehe mir nochmal die Michael-Moore-DVD rein. Cool gemacht. Aber der Typ scheint ausschließlich von Fritten zu leben. Wird vermutlich bald abkacken. Schade. Seufz. Die Stadt geht schlafen. Jetzt ist Frieden! Nachts! Und von ganz
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