Achtung Kurven
Angebote er bekommen hat. Da wäre meins bestimmt unter den Tisch gefallen.«
»Er bekam sechs Angebote...«
»Woher wissen Sie das?« fragte sie verblüfft.
»Weil ich die Anzeige aufgegeben habe.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Haben Sie denn die Absicht, Ihre Stellung bei Bauersfeld aufzugeben?«
»Ich hatte die Absicht...«
»Und warum wollten Sie sich verändern?«
»Es waren persönliche Gründe«, antwortete er schulterzuckend , »eine augenblickliche Verärgerung... Der Chef ist ein Grobian.... Jetzt, wo er auf der Nase liegt, kann ich ihn natürlich nicht im Stich lassen. Es wäre schäbig. Finden Sie nicht auch, daß es schäbig wäre, jetzt zu gehen?«
Sie nickte zögernd, als könne sie seine Haltung zwar verstehen, bedauere aber gleichzeitig, daß sein Gewissen so zart besaitet war. »Schade...«, sagte sie leise, und mit einem kleinen Seufzer fügte sie hinzu: »Ich habe natürlich nie zu hoffen gewagt, daß ich einmal Glück haben könnte. Nur, ich finde, das Pech verfolgt mich nun schon allzulange .«
»So etwas darf man sich nicht einreden, Fräulein Schütz!« sagte er eindringlich. »Sie sind ein viel zu nettes Mädchen, um dauernd vom Pech verfolgt zu werden. Vielleicht machen Sie es falsch...«
»Wie meinen Sie das?«
Er lachte leise, es klang fast zärtlich: »Gehen Sie nicht gleich wieder in die Luft, Fräulein Kollega «, sagte er vorsorglich, »aber vielleicht sollten Sie sich nicht auf dem Stellenmarkt, sondern auf dem Heiratsmarkt umschauen...«
Sie wandte ihm langsam das Gesicht zu, er erwartete ein empörtes Fauchen, aber nichts dergleichen geschah.
»Wie gescheit Sie sind!« sagte sie resigniert. »Aber wie stellen Sie sich die Chancen eines Mädchens in Kirst vor? Wenn man großes Glück hat, erwischt man vielleicht einen jungen Lehrer, oder den Forstgehilfen...«
»Was haben Sie gegen den Lehrer?«
»Wenn schon Kinder, dann eigene«, kicherte sie.
»Und was ist mit dem Forstgehilfen?«
»O Gott«, stöhnte sie, »mir wird schlecht, wenn ich die Jäger am Mittwochstammtisch im >Straußen< höre — da reden sie stundenlang von nichts anderem als von Schmaltieren und Schweiß und Löffeln und Äsern und von Blatten und wasweißichsonstnoch — nein, alles, aber bloß keine Förstersfrau !«
»Sie scheinen aber ziemlich häufig zugehört zu haben«, grinste er erheitert.
»Und außerdem hat er O-Beine!« sagte sie.
Er brach in schallendes Gelächter aus.
»Sie sind nicht nur ein hübsches, Sie sind auch ein richtig nettes Mädchen«, sagte er und legte den Arm auf die Rücklehne ihres Sitzes.
»In der Nacht sind alle Katzen grau«, meinte sie leise, aber ihre Stimme klang erwartungsvoll.
»Das habe ich aber am Tag festgestellt!« flüsterte er so dicht an ihrem Ohr, daß eine Locke ihres Haares seine Lippen kitzelte.
»Ist das Ihre bewährte Platte?« fragte sie, aber sie rückte nicht von ihm ab.
»Ich spiele keine Platten ab, Mariannchen «, sagte er zärtlich, »und was ich vorher von den Hausschlüsseln erzählt habe, war natürlich blödes Geschwätz...«
»Ich hab’s auch nicht sehr ernst genommen«, flüsterte sie und kam ihm ein wenig entgegen.
Er legte den Arm um ihre Schultern und zog sie zu sich heran. Ihre Lippen öffneten sich und suchten seinen Mund...
»Ach, Marianne«, sagte er, »du bist noch süßer, als ich es mir vorgestellt habe.« Er zog ihre Hand an seine Lippen und drückte einen langen Kuß in die warme Innenfläche. Ihre Fingerspitzen streichelten seine Wange...
»Hast du es dir denn schon vorgestellt...?«
»Ich habe es gewünscht...«
Sie preßte die Stirn an seine Wange: »Und ich hätte gewiß keinen Fahrkurs genommen, wenn ich einem anderen Fahrlehrer zugeteilt worden wäre.«
»Ich heiße Heinz...«, sagte er nach einem langen Kuß.
»Ich weiß es — Heinz...«
Er streichelte ihre Schulter: »Das habe ich wahrhaftig nicht geahnt, als du vorher plötzlich in der Tür standest...«
»Ich auch nicht...«, flüsterte sie mit einem kleinen, dunklen Lachen, »oder nur ganz undeutlich...«
Ihr Geständnis entflammte ihn, und er wollte sie erneut an sich ziehen. Aber er spürte plötzlich einen Widerstand, und er bemerkte, daß Marianne auf die Straße hinausstarrte.
»Was ist?« fragte er, aber er hatte die Frage kaum ausgesprochen, als er sich auch schon niederbeugte und sein Gesicht mit beiden Händen bedeckte.
In einem dunkelblauen Kostüm stöckelte Frau Bauersfeld auf sehr hochhackigen weißen Schuhen auf den Lichtkegel
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