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Achtung Kurven

Achtung Kurven

Titel: Achtung Kurven Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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eingefallen, die bei ihm zu Hause in der Schublade lagen. Jetzt war an einen Stellungswechsel vorläufig nicht zu denken.
    »Ich habe morgen vormittag drei Fahrstunden zu geben, und Rothe ist von acht bis zwölf besetzt. Sobald ich frei bin, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Es wird eine Menge zu tun geben...«
    »Können Sie Herrn Rothe heute noch erreichen?«
    »Ja, ich glaube, daß ich ihn in unserem Stammlokal treffe.«
    »Dann sagen Sie ihm bitte, daß der Unterricht bis Dienstag einschließlich ausfällt. Wir werden alle Hände voll zu tun haben.«
    »Soll ich Sie ins Krankenhaus fahren?«
    Sie schüttelte den Kopf: »Nein, er braucht mich nicht mehr. Ich werde den Oberarzt nachher anläuten. Alles andere hat bis morgen Zeit.«
    Er wollte ihr die Tür öffnen, aber sie blieb plötzlich dicht neben ihm stehen. Die Haut ihrer Schultern schimmerte bräunlich durch die Spitzenbluse. Ihre Hand kroch an seinem Jackettaufschlag empor und hielt ihn mit zwei Fingern in der Höhe des Knopfloches fest. Ihr Blick richtete sich auf den Knoten seiner gestreiften Krawatte.
    »Wir waren neulich beide ein wenig verrückt«, sagte sie leise. »Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Wahrscheinlich nichts. Ich hatte einfach den Kopf verloren. Der Unfall — die Furcht vor den polizeilichen Verhören — die Angst um die Existenz...«
    Herold antwortete nichts.
    Sie hob den Kopf und sagte sanft: »Versprechen Sie mir, daß es nie wieder vorkommt. Ich möchte, daß wir gute Freunde bleiben — aber nicht mehr... Gute Nacht, Herr Herold.«
    »Gute Nacht...«, stammelte er. Die Kehle war ihm wie ausgedörrt, und er spürte eine Lähmung in den Beinen, die erst verging, als er im >Roten Ochsen< ankam.
    Die Bedienung war schon dabei, die Stühle auf die Tische zu stülpen. Nur an zwei Tischen wurde noch gespielt. Herold angelte sich einen Stuhl heran und warf einen Blick in Rothes Karten. Rothe hielt einen mehr als riskanten Null-Ouvert mit einer blanken Herzzehn in der Hand, als Heinz Herold hinter ihn trat. Heute schien Rothe ein glückliche Strähne zu haben. Auf seinem Bierfilz waren fünf Schoppen angekreidet, aber man merkte ihm nichts davon an.
    »Na, Herold, was führt Sie zu so später Stunde noch in diese illustre Gesellschaft?«
    »Der Chef ist tot«, sagte Heinz Herold. Er kannte Rothes Mitspieler nur flüchtig, da sie nicht zum Stammtisch gehörten.
    »Wollen Sie aufhören, Rothe?« fragte der vierte Mann, der die Karten mischte und aussetzen mußte.
    »Wenn das dem Dicken helfen würde, würde ich passen. Aber es hilft ihm nichts. Also weiter!«
    Herold bestellte sich ein kleines Helles und leerte das Glas mit einem Zug.
    »Woher haben Sie die traurige Kunde?« fragte Rothe und ordnete seine Karten.
    »Von der Chefin. Ich soll Ihnen bestellen, daß der Unterricht bis Dienstag ausfällt. Morgen sollen wir um neun bei ihr antreten.«
    »Wann ist der Alte hinübergegangen?«
    »Es ist noch keine halbe Stunde her.«
    »Waren Sie zufällig bei unserer Lollo ?«
    »Ich war auf dem Heimweg. Sie fing mich vor dem Hause ab.«
    »Na — und wie trägt die Dame den schweren Verlust?«
    »Ungefähr mit der gleichen Fassung wie Sie.«
    Rothe starrte in sein Blatt und warf Herold einen schrägen Blick zu: »Ich schluchze innerlich«, murmelte er und schnippte mit dem Fingernagel gegen sein leeres Glas. »Trinken Sie einen Schoppen mit? Ich lade Sie dazu ein.«
    »Ich nehme dankend an, wenn ich den nächsten ausgeben darf.«
    Rothe warf einen Blick auf seinen Bierfilz: »In Ordnung — der siebente geht gerade noch in mich hinein.«
    Die Bedienung holte sein Glas. Rothe hob zwei Finger empor. Die wortlose Verständigung klappte. Zwei Protektionsschoppen, bis zum Rande gefüllt, kamen zurück.
    »Na, dann Prosit, Junglehrer Herold — einen kräftigen Streifen auf unseren Alten. Mögen ihn die Huris des Paradieses liebreich empfangen!«
    »Spielen wir nun, oder wollen Sie Trauerreden halten?« fragte einer der Herren.
    »Der Alte war ein Schweinehund, wie er im Buch steht — aber er war ein großartiger Kerl. Einer von der alten Garde, die stirbt, aber sich nie ergibt. Und das Unglück ist, daß die alte Garde dahingeht, und daß die Würstchen übrigbleiben...«, seine Augen bekamen plötzlich einen gefährlichen, betrunkenen Glanz.
    »Und jetzt hoch die Tassen! Hoch die Tassen, sage ich — und den Rest weg auf unseren Boß Paul Bauersfeld!«
    Er sah sich wild im Kreise um.
    Einer der Herren wollte sein

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