Achtung, Superheld! (German Edition)
Leuchten pulsierte. Sie hatte sich über Simons reglosen Körper gestülpt, der auf dem Bett lag. Irgendwie schien an der Form der Kreatur etwas merkwürdig zu sein. Vielleicht wurde dieser Eindruck nur durch die Dunkelheit hervorgerufen, war eine Täuschung der Augen, doch das Wesen schien hin und her zu wogen, seine Gestalt kräuselte sich wie Wellen das Wasser.
Als ob es seine Gedanken gelesen hätte, drehte sich das mit der Kapuze verhüllte Ding um und schaute ihn an. Wenigstens sah es so aus, als schaute es ihn an – in der Dunkelheit konnte Daniel keinerlei Gesichtszüge erkennen, also war er auch nicht sicher, ob das Wesen überhaupt Augen hatte. Daniel spürte, wie Panik in ihm hochstieg: Er war allein und unbewaffnet.
Die Gestalt kam einen Schritt näher und die unnatürliche Kälte wurde stärker. Die frostige Luft schien aus dem Schatten selbst hervorzuströmen. Daniel tat das Einzige, was ihm einfiel – er schoss ein Foto. Der Blitz ging los, und vor seinen Augen tanzten Punkte, aber für eine Sekunde blieb das Wesen stehen. Es betrachtete ihn schweigend und schien sich für die Kamera in seiner Hand zu interessieren. Daniel wollte das Spalier gerade wieder hinunterklettern und hatte seinen Fuß schon auf die oberste Sprosse gesetzt, als der Schatten sein Vorhaben bemerkte und weiter auf ihn zukam. Wieder drückte Daniel auf den Auslöser.
Blitz! Blitz!
Der grelle Kamerablitz machte Daniel fast völlig blind, und er betete, dass das Blitzlicht dieselbe Wirkung auf die Schattengestalt hatte. Er bewegte den Fuß nach unten, verpasste jedoch die nächste Sprosse. Als er abrutschte, suchte er mit der freien Hand noch nach einem Halt, griff aber ins Leere.
Für den Bruchteil einer Sekunde hoffte Daniel, Eric würde da sein und ihn ein weiteres Mal auffangen. Doch es gab keine wundersame Rettung, und das Letzte, was er spürte, war, wie sein Körper im nassen Gras aufschlug und irgendwas in ihm kaputtging. Dann fühlte er gar nichts mehr.
10
Willkommene Besucher
»Daniel, du hast Besuch bekommen. Fühlst du dich danach, Großer?«
»Ja klar. Ich sag dir doch, Dad, mir geht’s gut.«
»Nun, wenn du nichts dagegen hast, überlasse ich die Diagnose den Ärzten.«
In Wirklichkeit fühlte sich Daniel alles andere als »gut«. In seinem rechten Arm pochte ein dumpfer Schmerz, der sich bei jeder Bewegung in ein Stechen verwandelte. Und unter dem Gipsverband hatte er eine juckende Stelle, an die er aber nicht drankam, weil sie sich genau in der Mitte befand. Wenigstens war die Übelkeit weg. An diesem Morgen hatte er zum ersten Mal wieder ein ordentliches Frühstück runterbekommen. Allerdings schmeckte es deshalb keinen Deut besser. Krankenhausessen war nun mal Krankenhausessen.
Daniel hörte, wie jemand hustete, und war überrascht, als Rohan und Louisa in der Tür standen. Als sein Dad die ersten Besucher angekündigt hatte, hatte er selbstverständlich angenommen, dass Mollie dabei wäre.
»Hey«, sagte Rohan. Er trug ein Paket unter dem Arm, das in metallisch-blaues Papier eingewickelt war.
»Hey«, erwiderte Daniel.
»Schön«, sagte Daniels Dad und griff nach seinem Mantel. »Ich geh ein bisschen raus und vertrete mir die Beine, dann könnt ihr alle Neuigkeiten austauschen. Aber kein Armdrücken veranstalten!«
Sie warteten ab, bis Daniels Vater die Tür hinter sich zuzog. Dann setzte sich Louisa behutsam neben Daniel auf das Bett.
»Tut es weh?«, fragte sie und blickte auf den Gips.
»Geht so«, antwortete Daniel. »Ich hab schon Schlimmeres gehabt.«
Er sah, wie Rohan die Augen verdrehte, und wurde rot. Daniel hatte noch nie was Schlimmeres gehabt; er hatte sich bisher noch nicht mal einen Finger gebrochen. Er hatte keine Ahnung, warum er vor Louisa so angeben musste.
»Ich habe dir Schokolade aus dem Krankenhaus-Shop mitgebracht. Ich könnte mir vorstellen, dass du das Essen hier leid bist. Sie hatten nur Sachen in solchen herzförmigen Schachteln …«
»Äh, danke«, sagte Daniel.
»Okaaay«, sagte Rohan. »Wie sieht es aus? Was sagt die Prognose? Gelingt es dir weiterhin, die Schule zu verpassen, oder werfen sie dich endlich hier raus?«
»Ich komme heute oder morgen raus. Aber wahrscheinlich bleibe ich noch eine Woche zu Hause.«
»Wie schrecklich«, jammerte Louisa. »Wir alle vermissen dich so im Baumhaus. Oh, fast hätte ich es vergessen«, sagte sie und fasste in ihre Manteltasche. »Rose hat mich gebeten, dir das hier zu geben.«
Sie überreichte Daniel eine
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