Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Achtzig Gedichte

Achtzig Gedichte

Titel: Achtzig Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Trankl
Vom Netzwerk:
Wild
in dieser herbstlichen Landschaft: die Schwester. Diese Gedichte verbergen nicht einen biographischen Sachverhalt, der manchem Leser anstößig erscheinen mag: daß Trakl seine Schwester nicht nur als Schwester geliebt hat. Zwischen Georg und seiner jüngeren Schwester Margarete bestand seit dem Kindesalter eine enge Gefühlsbindung, die schließlich zur erotischen Beziehung wurde. Damit war ein elementares Tabu verletzt. In vielen Gedichten ist von dieser problematischen Liebesbeziehung die Rede:
Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.
Zeit seines Lebens galt die Liebe Trakls der Schwester, keine andere Frau konnte je ihren Platz einnehmen. Sie blieb denn auch der einzigeMensch, der dem einsamen, kontaktscheuen Dichter wirklich nahe war. Für kurze Augenblicke erhellt sich die Düsternis in der poetischen Welt Trakls, wenn von der Schwester die Rede ist:
Da ich deine schmalen Hände nahm/Schlugst du leise die runden Augen auf,/Dieses ist lange her.
Die Schwester, nicht ein gnädiger Gott, wird von dem Untergehenden im Gedicht
Klage
angerufen.
    Trakl sah in der Schwester das Spiegelbild seines eigenen Selbst; als
Fremdlingin
und
Jünglingin
erscheint sie in den Gedichten, als Komplementärgestalt zum
Fremdling
und
Jüngling.
Als
Nonne
und
Mönchin
tritt sie neben den
Mönch.
Bruder und Schwester, Mann und Frau begreift der Dichter als Teile einer ursprünglichen, aber längst verlorengegangenen Einheit; diese Vorstellung spielt, nicht anders als der Inzest, auch in der Mythologie der Völker eine große Rolle: man denke an Yang und Yin, an Isis und Osiris, an Zeus, der seine Schwester Hera heiratet. Schmerzlich empfindet Trakl die Trennung, den Gegensatz der Geschlechter, die Sexualität. Wenn in seinen Gedichten immer wieder Sexuelles ins Bild gesetzt wird, so ist es stets verbunden mit Vorstellungen von Sünde und Schuld, so in den Gedichten
Andacht, Die junge Magd, Die Bauern, Passion.
Mit dem Verlust der Einheit, mit der Entgegensetzung der Geschlechter beginnt die Herrschaft des Eros, der bei Trakl aber nicht als Gott, sondern als bedrohlicher Dämon erscheint. Wie sehr der Dichter die eigene Sexualität als Bedrohung empfindet, geht aus einem Brief von 1908 deutlich genug hervor:
Ich habe die fürchterlichsten Möglichkeiten in mir gefühlt, gerochen, getastet und im Blute die Dämonen heulen hören, die tausend Teufel mit ihren Stacheln, die das Fleisch wahnsinnig machen. Welch entsetzlicher Alp!
Einige Jahre später schreibt Trakl im Prosagedicht
Offenbarung und Untergang
ganz knapp:
Ich sah die schwarze Hölle in meinem Herzen.
Diese
Hölle
in der Seele des Menschen, diese oft verschwiegene, oft gänzlich aus dem Bewußtsein verdrängte Wirklichkeit, kommt in Trakls Dichtung zur Sprache.
    Ãœber die Entstehung seiner Gedichte schreibt Trakl 1910 an seinen Freund Buschbeck:
Aber ich bin derzeit von allzu viel (was für ein infernalisches Chaos von Rhythmen und Bildern) bedrängt, als daß ich für anderes Zeit hätte, als dies zum geringsten Teile zu gestalten, um mich am Ende vor dem was man nicht überwältigen kann, als lächerlicher Stümper zu sehen, den der geringste äußere Anstoß in Krämpfe und Delirien versetzt.
An anderer Stelle bezeichnet er seine Verse als
Rhythmen aus meinem Inferno.
So naturalistisch Trakls Gedichte gelegentlich anmuten mögen – nie ist das dichterische Bild bloßes Abbild äußerer Realität. Ins Bild gesetzt wird vielmehr innere Wirklichkeit, seelische Realität. Insofern sind diese Gedichte den Gebilden des Traums eng verwandt, auch formal, in ihrer alogischen Bildlichkeit. Schon im Titel deutet diese Verwandtschaft sich hin und wieder an:
Traum und Umnachtung.
Trakls Gedicht ist ein sprachlich gestalteter Traum, ein
Traum des Bösen.
Als
Blumen der Schwermut
bezeichnete der junge Dichter seine Verse – sie sind auch «Blumen des Bösen»:
Silbern schimmern die bösen Blumen des Bluts an jenes Schläfe.
    Von einem
infernalischen Chaos
fühlt sich der Dichter bedrängt, von den
Dämonen des Blutes.
Diese Dämonen erscheinen im Gedicht als elementare Gewalten, vornehmlich im Bild des Feuers –
purpurne Flamme der Wollust
– und des Sturms:
Aufschrei im Schlaf; durch schwarze Gassen stürzt der Wind.
Sie treten auf in Tiergestalt, als Hund, als Fuchs, als Wolf. Einen
flammenden Wolf
nennt Trakl in
Traum und Umnachtung
den

Weitere Kostenlose Bücher