Acornas Heimkehr
beides übergroße Luxus-Raumjachten, die durch eine lange weiße Nabelschnur miteinander verbunden waren.
Becker funkte die Shahrazad an. Acorna weinte fast vor Erleichterung, als sie die Stimme ihres Onkels Hafiz vernahm, der ihnen mit lakonisch knappen Worten die Lage schilderte.
Sie war gerade im Begriff, Becker darum zu bitten, sie mit Hafiz sprechen zu lassen, als der Bergungsspezialist erklärte, dass er Anspruch auf den Andocktunnel erhöbe, beschleunigte und mit der Nase der Condor geradewegs zwischen die beiden Raumjachten vor ihnen zielte.
Die Schleusenverbindungsröhre stellte für die nupiakische Asteroidenbrecher-Bugnase der Condor nicht das geringste Hindernis dar. In Raumanzüge gekleidete Gestalten purzelten aus dem überdimensionalen Nabelschlauch heraus wie Blutkörperchen aus einer geplatzten Kapillare auf einem gläsernen Mikroskopträgerplättchen. Schwerkraftstiefel hefteten sich an die Schiffshüllen, und behandschuhte Hände griffen nach den Halt suchenden, ausgestreckten Armen ihrer hilflos vorbeitaumelnden Kameraden. Acorna war froh zu sehen, dass es den meisten von ihnen gelang, sich in Sicherheit zu bringen, und noch sehr viel froher, dass die Piraten zu diesem Zweck ihre Waffen loslassen und tatenlos zusehen mussten, wie diese Rad schlagend in die Schwärze des Weltraums davondrifteten.
Acorna und Aari sahen ihnen einen Augenblick lang nach, und Acorna dachte unwillkürlich daran, wie schrecklich einsam es sein musste, mutterseelenallein im Weltraum zu treiben, bis man irgendwann starb. Sie warf Becker einen Blick zu und schaute zu den Raumanzügen an der Wand hinüber.
Becker erwiderte ihren Blick einen kurzen Moment lang mit tiefem Ernst, stand dann auf, ging hinüber, warf ihnen Druckanzüge und Weltraumflugtornister zu und erklärte: »In Ordnung, Jungs und Mädels, Bergungszeit. Du kommst auch mit, KEN, mein Alter, aber du brauchst ja keinen Raumanzug, stimmt’s? Als diese kleine… Frauensperson mir die Seele aus dem Leib getreten hat, haben ein paar ihrer Jungs sie davon abgehalten, es noch schlimmer zu treiben, also schätze ich, dass ich ihnen was schuldig bin. Außerdem will ich diesen Andocktunnel haben! Und anschließend werden wir Ihrem Onkel einen Höflichkeitsbesuch abstatten, Dame Acorna.«
Acorna war schon seit ihren Kindertagen, als sie noch mit ihren Onkeln als Asteroidenschürferin gearbeitet hatte, sehr geübt im Umgang mit Raumanzügen und Manövriertornistern, und auch Aari kannte sich damit noch aus der Zeit vor seiner Gefangenschaft auf Vhiliinyar aus. Zum Glück stand Acornas Stirnhorn nicht so weit vor, als dass sie einen Spezialhelm benötigt hätte. Sich im freien Weltraum zu bewegen hatte viel Ähnlichkeit mit Schwimmen, wobei man die Manövrierdüsen des Flugtornisters als Flossen einsetzte. Gemeinsam lasen sie einen nach dem anderen jener Mannschaftsangehörigen der Midas auf, denen es immer noch nicht gelungen war, einen Halt zu finden, brachten sie zur Shahrazad hinüber und schoben sie in die Heckschleuse, bevor sie wieder kehrt machten, um den Nächsten einzufangen.
Es gelang ihnen sogar noch, zwei Piraten von der Hülle ihres eigenen Raumschiffes abzupflücken, wo sie sich wie Muscheln auf dem Kiel eines Ozeanriesen festklammerten, bevor die Midas sich zögernd abzusetzen begann. Als sie schließlich auch das letzte Weltraumtreibgut in die Luftschleuse verfrachtet hatten, schlug Becker vor: »Dame Acorna, vielleicht besuchen Sie ja jetzt schon mal die Shahrazad und versichern sich, dass Ihr Onkel wohlauf ist. Aari und KEN, sofern ihr nicht eine besondere Vorliebe für Familien-Wiedersehen habt, könnt ihr ja mit auf die Condor zurückkommen, wo wir unser bescheidenes Mahl aus Pflanzensamen und Katzenfutter genießen und hoffen werden, dass Acorna uns von ihrem reichen Verwandten ein paar übrig gebliebene Oberschichtleckereien mitbringt.«
Acorna winkte ihnen zu und kletterte in die Schleuse. Alle zuvor dort eingetrudelten Anhalter hatte die Mannschaft der Shahrazad einen nach dem anderen in Empfang genommen und in sicheren Gewahrsam abgeführt. Als Acorna ihren Helm ablegte, stand Hafiz schon selbst bereit, um sie in die Arme zu schließen und an Bord willkommen zu heißen. Als sie sich gerade in den großen Versammlungsraum des Schiffes begaben, spürte sie plötzlich einen Ruck durch das Raumfahrzeug gehen und sah auf dem Panoramaschirm an der Wand einen Lichtblitz von der Shahrazad zu der zunehmend Abstand gewinnenden Midas
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