Acornas Heimkehr
essen! Und bevor man dich ordentlich in deine neue Heimat eingeführt hat und du Gelegenheit hattest, die Leute auf normale Weise kennen zu lernen! Es war einfach unverzeihlich, dass sie Neeva und die anderen fortgeschickt und dich, abgesehen von diesem eingebildeten jungen Hengst Thariinye, unter völlig Fremden allein gelassen hat.« Sie schnaubte erneut. »Diese jungen Leute machen immer so ein Aufhebens um ihre Kultiviertheit, dabei ist doch schlichte Rücksichtnahme und Freundlichkeit die unabdingbare Voraussetzung jeglicher Kultiviertheit. Das habe ich Liriili auch gerade unmissverständlich gesagt, als du diesem jungen Esel deine Zähne gezeigt hast. Zwar ist es natürlich nicht sein Fehler, aber ich glaube, an deiner Stelle hätte ich genau das Gleiche getan.«
»Oh, aber sehen Sie, ich habe doch gar nicht versucht, jemandem die Zähne zu zeigen – ich meine, sicher, ich habe meine Zähne entblößt. Aber da, wo ich herkomme, bei den Leuten, bei denen ich aufgewachsen bin, zeigt man eben seine Zähne, wenn man freundlich oder glücklich ist – es ist ein Ausdruck der Begrüßung und der Herzlichkeit, ganz und gar nicht einer der Feindseligkeit. Eigentlich hat man mir zwar gesagt, dass dies bei Ihrem – unserem – Volk nicht so gesehen wird, aber ich war ein wenig verwirrt, und…«
»Na, na, Kind. Mir musst du das doch nicht erklären.«
Sie packte Acorna entschlossen am Ellbogen und führte sie auf das allerhöchste Terrassenbeet, dorthin, wo die köstlichsten Pflanzen wuchsen. Mit einem langen und ziemlich schrillen Linyaari-Ausruf, der etwas schauerlich wie »Hööört her!«, klang, gebot Großmama Naadiina der Musik, den Tänzern und den Gesprächen Einhalt und zog damit sämtliche Blicke auf sich und Acorna.
Acorna entdeckte, dass derweil sowohl die Viizaar als auch ihr Adjutant den Pavillon mit besorgten Gesichtern hastig verließen. Sie hatte plötzlich das Gefühl, dass die Reaktion der Menge mehr mit Liriilis Abgang als mit ihrem eigenen gesellschaftlichen Fehltritt zu tun hatte.
»Meine Kinder, ihr habt euch alle hier versammelt, um unsere lang verloren geglaubte Anverwandte Khornya kennen zu lernen, die Tochter der so beklagenswert umgekommenen Feriila und Vaanye. Sie ist erst heute Nachmittag – wie viele von euch wissen, weil ihr ja selbst dort wart – auf diesem Planeten eingetroffen, nach einer viele Monate währenden Reise. Ihre engste Verwandte und ihre einzigen Bekannten unter uns mussten sofort wieder zu einer neuen Mission aufbrechen und das Kind hier bei uns zurücklassen. Sicher, ihr Akzent ist fremdartig und ihr Kleid eher ein bisschen altmodisch. Und weil sie nicht anständig unterwiesen wurde, hat sie einen möglichen Lebensgefährten mit einem Gesichtsausdruck begrüßt, der bei jener Kultur, aus der sie kommt, anders gedeutet wird als in unserer eigenen. Aber sie ist ein anständiges Mädchen, das kann ich sehen, ein liebenswertes Mädchen, und sie würde sich freuen, einen jeden von euch später kennen zu lernen, sobald sie Gelegenheit gehabt hat, sich auszuruhen, ihre Gedanken zu sammeln, sich hier zurechtzufinden und ein oder zwei anständige Mahlzeiten in den Magen zu kriegen.«
Als Großmama diese Worte sprach, hörten viele Leute auf zu tanzen. Doch statt ihre Aufmerksamkeit der alten Dame zuzuwenden, starrten sie auf die Wandklappen des Pavillons, durch die Liriili verschwunden war, als ob sie darauf warten würden, dass dort irgendetwas passierte. Etwas für sie weitaus Wichtigeres als Großmamas tadelnder Klaps auf ihre kollektiven Finger. Sie warteten wohl darauf, dachte Acorna, dass Liriili zurückkehrte und erklärte, welche dringende Angelegenheit sie dazu veranlasst hatte, sich davonzustehlen.
Sechs
»Kisla, mein Schatz, du siehst arg erschöpft aus«, bemitleidete sie Onkel Edacki.
»Stimmt, ich gestehe, dass dieser schreckliche Schrotthändler und sein bösartiges Vieh mich ziemlich aus dem Gleichgewicht geworfen haben, Onkel. Er hat mich betrogen –
hat behauptet, er würde alles verkaufen, und dann doch die Katze behalten und dazu noch mehr von diesen Hörnern, von denen er angeblich keine weiteren besessen hat. Man kann heutzutage wirklich niemandem mehr trauen.«
»Nein, wahrhaftig nicht, Liebes. Es ist eine raue, grausame Welt da draußen, und es betrübt mich, dass du das schon so früh in deinem Leben hast erfahren müssen. Aber zum Glück bin ja ich da, um dich zu beschützen und dafür zu sorgen, dass du dich nicht unnötig verausgabst.
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