Acornas Welt
Schauspieler gewesen war, und die benutzten, wie Aari erfahren hatte, ebenfalls Make-up.
Aber während er noch mit der Sprache rang, bedachte ihn Thariinye mit einer wortreichen Schilderung seiner (laut Thariinye) spektakulär erfolgreichen Karriere als Frauenliebling. Aari brachte es nicht übers Herz, ihn zu bitten, ruhig zu sein, denn er wusste, dass Thariinye sich wegen des Verlusts seiner Hornspitze entstellt fühlte, und der Jüngere erzählte jetzt hauptsächlich von seinen früheren Eroberungen, um sein eigenes Selbstvertrauen zu stärken.
Doch bei dieser Einschätzung projizierte Aari seine eigenen Gefühle über den Verlust seines Horns und sein Mitgefühl mit Thariinye, er las nicht die Gedanken des anderen. Das wäre viel zu schwierig gewesen, während er gleichzeitig immer noch versuchte, mit Shakespeares
Ihrs
und
Euchs
zurechtzukommen. Daher war er ziemlich verdutzt, als Thariinye sich plötzlich auf seiner Schlafmatte umdrehte und ihm einen spielerischen Rippenstoß versetzte.
»Diese Khornya ist wirklich ein Gräschen, nicht wahr?«, meinte er augenzwinkernd.
»Ein – Gräschen?«, fragte Aari, der bei der Erwähnung von Khornyas Namen von seinem Buch aufgeblickt hatte.
»Na ja, für alte Knacker wie dich muss ich das wohl übersetzen: Eine schlanke, saftige, begehrenswerte Gefährtin«, verkündete Thariinye mit einer lässigen Geste.
»Ich… ja, Maati hat erwähnt, dass du davon ausgehst, dass ihr beide einander versprochen seid. Entspricht das immer noch der Wahrheit?« Seine Stimme klang ruhig und beherrscht.
»Ich? Nein! Oh nein! Bei den Ahnen, nein! Oh, ich war natürlich hin und weg von ihr. Sie ist wunderschön – ein echtes Gräschen, wie ich schon sagte. Aber, nun ja, es hatte wohl mehr damit zu tun, dass ich der erste männliche Liinyar war, mit dem sie es zu tun hatte, und sie war so unerfahren und unschuldig, dass ich sie beschützen wollte, und deshalb habe ich versucht, andere Männer zu verscheuchen, von denen ich nicht glaubte, dass sie… Acornas innere Werte angemessen zu schätzen wussten. Jetzt, wo ich sie besser kenne, weiß ich, dass wir nicht füreinander bestimmt sind.«
»Nein? Und warum nicht?«, fragte Aari und fühlte sich plötzlich selbst in Beschützerstimmung. Er war einigermaßen verärgert, dass Thariinye Khornya einfach so abtat. War das vorstellbar – ein Linyaar, der Khornya nicht wollte?
»Um ehrlich zu sein«, sagte Thariinye, »sie ist zu klug für mich. Und, na ja, auch ein bisschen zu idealistisch. Auch ein bisschen zu seltsam – immerhin ist sie von Menschen aufgezogen worden und so. Sie hat merkwürdige Ideen, also kann ich nie auch nur ahnen, was sie als Nächstes anstellen wird. Und das macht mich nervös, wenn ich in ihrer Nähe bin.«
»Ich muss zugeben, dass mich ihre Anwesenheit auch nervös macht«, sagte Aari nachdenklich.
»Das ist mir aufgefallen. Aber du bist ganz verrückt nach ihr, nicht wahr?« Thariinyes Stimme war eindringlich, und in seinen Augen stand eine etwas boshafte Anteilnahme. »Du willst sie haben, wie?«
»Ich… ich habe kein Recht dazu«, sagte Aari. »Sie hat einen Gefährten verdient, der an Geist und Körper gesund ist. Und der ein Horn hat«, fügte er ein wenig grausam hinzu, aber immerhin war auch Thariinye grausam und unhöflich neugierig gewesen.
»Aua«, meinte Thariinye. »Das hatte ich wohl verdient. Aber man hat mir gesagt, dass meins wieder nachwachsen wird.«
Aari schwieg. Thariinye hatte seine Grausamkeit mit Grausamkeit vergolten. Dies war einer der Gründe, wieso die Linyaari für gewöhnlich solches Verhalten mieden. Es war nicht nur unfreundlich, es war auch unklug, sich auf diese Weise selbst zu erniedrigen, bis schließlich alle Beteiligten auf ein niedrigeres Niveau gesunken waren.
»Tut mir Leid«, sagte Thariinye abermals. »Ich versuche hier, dir etwas zu sagen, und dabei verletze ich dich bloß immer wieder. Du bist ziemlich empfindlich, weißt du das?«
»Das liegt vielleicht daran, dass Kontakt mit anderen für mich lange Zeit nur Schmerz bedeutet hat«, erwiderte Aari durch zusammengebissene und gefletschte Zähne. Dann entspannte er sich wieder. »Es tut mir auch Leid. Ich habe angefangen, dich als Freund zu betrachten. Großmama sagt, Freunde kommen zusammen, um einander etwas zu lehren. Ich spüre, dass du versuchst, mir etwas beizubringen. Also rede weiter.«
»Ich will eigentlich nur sagen«, meinte Thariinye, »ganz gleich, was du denkst, was sie verdient, die
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