Acornas Welt
seiner Intelligenz und Warmherzigkeit zu erkundigen.«
»Ehrlich gesagt haben wir angenommen, du würdest von einem jungen Hengst geschnappt werden, sobald du auf deinen Heimatplaneten landest«, sagte Calum. »Diese Wendung der Dinge hat uns ein bisschen überrascht.«
Acorna grinste sie plötzlich an. »Muss ich mich jetzt etwa darauf gefasst machen, dass ihr mich fragt, wann ich mich endlich irgendwo niederlasse und euch Enkelkinder schenke?«
»Genau«, gab Rafik zurück. »So was tun für gewöhnlich Mütter, aber du hast keine, und wir waren nicht sicher, ob deine Tante daran denken würde, und außerdem ist sie nicht da. Also dachten wir… genauer gesagt, Calum und Gill dachten – dass wir vielleicht mal mit dir darüber reden sollten.«
»Eigentlich hat Hafiz damit angefangen«, meinte Calum.
»He, ich glaube, wir haben es ganz gut hingekriegt. Gill war ja dafür, den Burschen nach draußen zu bitten und ihn nach seinen Absichten zu fragen, als wir gemerkt haben, wie er…
wie du… was los war. Aber dann dachten wir, ein Kerl, der sich mit bloßen Händen auf einen Khleev stürzt, ist vielleicht ein bisschen sensibel, also haben wir beschlossen, es wäre – «
» – sicherer, mit dir zu reden«, beendete Rafik den Satz mit einem dreisten Grinsen.
Acorna lachte. »Und jetzt habt ihr gefragt. Und wir haben darüber geredet«, sagte sie und umarmte alle nacheinander.
»Und ich habe nichts mehr zu sagen – ehrlich, im Augenblick gibt es nichts weiter zu sagen. Inzwischen möchte ich gerne wissen, wie es mit den Heiratsabsichten meiner Väter steht.
Judit und Mercy werden sicher nicht ewig warten wollen, während ihr über mein Liebesleben spekuliert.«
»Na ja«, meinte Calum, »wir haben tatsächlich eine Ankündigung zu machen, aber ich werde warten, bis sie – «
Die beiden anderen hatten begonnen, ihm auf den Rücken zu klopfen. Das Gespräch wandte sich den bevorstehenden Hochzeiten zu, und dann hatten alle das Bedürfnis, mit ihren jeweiligen Gefährtinnen zu sprechen, und Acorna konnte sich zu ihrem Pavillon davonstehlen.
Maati war nicht da. Acorna nahm an, dass das Mädchen sich bei ihren Eltern aufhielt. Das war in Ordnung. Der Gedanke, eine Weile allein sein zu können, gefiel ihr. So leicht sie die Fragen ihrer Freunde abgewehrt hatte, sie waren doch nur das Echo ihrer eigenen Fragen, und sie wollte nicht, dass Maati, die noch ein halbes Kind war, ihre Gedanken las, selbst wenn dies nur zufällig geschehen würde.
Mochte sie Aari tatsächlich einfach nur, weil er ihr Leid getan hatte, oder war mehr daran? Wie sollte sie das herausfinden? Sie hatte noch nie einen Gefährten gewählt. Sie wusste, dass ihre Onkel nur ihr Bestes wollten, und es stimmte, dass offenbar keine allzu großen Unterschiede zwischen menschlichen und Linyaari-Männern bestanden. Und nachdem sie von Männern aufgezogen worden war, hatte Acorna das Gefühl, sie so gut zu verstehen, wie eine Frau es nur konnte.
Zumindest im Augenblick. Aber sie hätte nicht sagen können, dass sie Aari verstand. Sie konnte seine Gedanken lesen, wenn er es zuließ, und sie wusste, dass er sie gern hatte. Sie hatte Mitleid mit ihm, weil er so viel durchgestanden hatte. Aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, wieso er sich so verhielt, wie er es tat. Wenn doch nur Großmama Naadiina oder Tante Neeva hier gewesen wären, um ihr zu raten! Sie hätte auch Gill, Calum oder Rafik fragen können, doch die schienen in dieser Angelegenheit nicht mehr unvoreingenommen genug zu sein.
Seufzend legte sie sich zu einem unruhigen Schlaf nieder und träumte, dass ein Khleev um sie warb.
Aari andererseits kam überhaupt nicht zum Schlafen, und er kam auch in dem Buch nicht weiter, das er sich aus der Bibliothek uralter Bücher an Bord der Condor ausgesucht hatte, eine Sammlung antiker europäischer Literatur. Aari las derzeit einen Auszug aus einem Stück mit dem Titel Romeo und Julia von William Shakespeare. Die Sprache war nicht leicht zu bewältigen, doch er hatte woanders gelesen, Shakespeare hatte die Sprache der Liebe erfunden, also nahm er an, es könne interessant sein herauszufinden, was der Barde vom Avon zu sagen hatte. Er konnte sich allerdings nicht vorstellen, warum eine Kosmetikfirma des zwanzigsten Jahrhunderts (die Schiffsbibliothek des Schiffs enthielt auch mehrere bunte Broschüren dieser Firma) einen antiken Dichter fördern sollte, es sei denn, es lag daran, dass Shakespeare nicht nur Dramatiker, sondern auch
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