Acqua Mortale
sie. »Hat er das genäht?«
»Ich weiß nicht. Ich war nicht bei Bewusstsein.«
»Sie müssen unbedingt ins Krankenhaus.«
»Es ist schon untersucht worden. Scheint nicht entzündet zu sein.«
Sie holte ein Fläschchen mit Desinfektionsmittel aus einem Hängeschrank und träufelte es auf einen Wattepad. Dann tupfte sie vorsichtig die Wunde ab.
»Haben Sie wegen dieser illegalen Sandgeschäfte mit Ihrem Mann gestritten an jenem Abend?«
Sie lachte. »Verstehen Sie denn immer noch nicht? Mein Mann hat den Fluss geliebt.«
»Mehr als Sie?«
»Vielleicht. Jedenfalls hat er für den Fluss sein Leben riskiert, und am Ende verloren.«
Lunau schwieg. Er konzentrierte sich darauf, das Brennen des Desinfektionsmittels und den Druck des Wattepads auszuhalten.
»Vito wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen mit dieser Mühle«, sagte Silvia.
»Das dachte ich auch. Er baut die Mühle und außen herum einen Erlebnispark. Er bringt Leben auf den Fluss und nutzt die schwimmende Mühle als Zwischenlager für den gestohlenen Sand. Man kann ja schlecht alle Stunde mit einem Frachtkahn an dem Saugbagger anlegen. Das wäre zu auffällig.«
»Verstehen Sie immer noch nicht? Vito hat die Mühle nicht für die Sandräuber gebaut, sondern gegen sie. Er wollte die Mühle genau in dieser Flussbiegung platzieren, um den Kerlen das Handwerk zu legen. Wenn ständig Touristen auf dem Wasser sind, wenn rund um die Uhr Betrieb ist an der Stelle, dann wird derDiebstahl zu gefährlich. Vitos Projekt hätte das Ende dieser Machenschaften bedeutet.«
Lunau war beeindruckt. Wie hatte er nur so blind sein können?! Jetzt passte tatsächlich alles zusammen.
»Und deshalb hat man die Mühle abgefackelt«, sagte er.
»Und deshalb hatten wir Krach. Nach dem Brand in dem Hangar hatte er versprochen, dass er das Projekt aufgibt.«
»Wo hatte er das viele Bargeld her?«
»Von seinen Eltern. Er hatte sie dazu gebracht, ein Grundstück zu verkaufen. Es war sein Erbteil. Kaum war das Geld auf unserem Konto, hatte Vito es schon wieder abgehoben.«
Sie presste das Desinfektionsmittel so heftig auf Lunaus Kopf, dass ihm die Tränen den Blick trübten.
»Aber warum hat Ihr Mann die Warnungen nicht ernst genommen?«
»›Was meinst du, warum ich aus Sizilien weggegangen bin‹, sagte er. ›Ich will endlich meine Ideen verwirklichen.‹ – ›Bei uns gibt es denselben Filz wie bei euch‹, sagte ich. – ›Aber hier stirbt man nicht an diesem Filz‹, meinte er.«
Sie hatte den Wattepad ins Wasser fallen lassen und stützte sich mit den Händen auf Lunaus Schultern ab. Sie zitterte und weinte. Sein Schlüsselbein schrie auf. Er drehte sich um und betrachtete ihr Gesicht, ihre geschwollenen Augen und ihre Lippen, die auf einmal kein bisschen unnatürlich wirkten.
Sie erwiderte seinen Blick kurz und riss sich dann los.
»Aber irgendwer bei der ARNI muss in die Machenschaften involviert sein. Andernfalls wäre die Sache zu gefährlich. Wissen Sie, wer?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Gasparotto«, sagte er. »Gasparotto stiftet diesen Saugbagger und wird Chef der Behörde. Seine großzügige Geste wirft für ihn doppelt Profit ab.«
Sie stand auf und ging zur Tür.
»Und Pirri war auch involviert?«, fragte Lunau.
»Weiß nicht. Kommen Sie ins Wohnzimmer, dann lege ich Ihnen einen sauberen Kopfverband an.«
Er stieg aus der Wanne, trocknete sich mit einer Hand ab und schlüpfte in die Kleider. Ein schlichter grauer Anzug und ein hellblaues Hemd. Ärmel und Hosenbeine waren ein paar Zentimeter zu kurz.
Silvia saß inmitten ihrer Kinder auf dem Sofa.
Sara drehte erschrocken den Kopf weg und schlug den Unterarm vor die Augen. Dann linste sie neugierig wieder hervor.
»Ist nicht so schlimm«, sagte Lunau. »Ist bald wieder verheilt.«
»War das ein Gormito?«, fragte Sara und deutete auf Lunaus Blutergüsse.
»Ja«, antwortete dieser.
»Welcher?«
Bitte, da hatten sie ihn schon wieder. »Es war dunkel, ich konnte ihn nicht erkennen.«
»Dann war es wahrscheinlich Obskurio, der sieht auch in der Nacht.«
»Ja, daran habe ich auch schon gedacht.«
»Aber du hättest sowieso keine Chance gegen ihn gehabt.«
Lunau nickte. Dann fiel sein Blick auf Silvia. Sie starrte ihn sprachlos an. Genauer gesagt, starrte sie die Kleider ihres Mannes an.
»Ich ziehe mich im Hotel um und bringe sie Ihnen so schnell wie möglich zurück. Danke.« Er gab ihr die Hand.
»Und der Kopfverband?«
»Bisher ging es auch ohne. Der Schäfer versteht sein
Weitere Kostenlose Bücher