Acqua Mortale
setzte sich in seinen Geländewagen und fuhr Richtung Fluss. Lunau schaffte es zu folgen. Bis zur Sandgrube. Zappaterra lief in sein Büro. Aber er telefonierte nicht, empfing keinen Besuch.
Lunaus Handy klingelte. Auch wenn er sein Guthaben aufgebraucht hatte, blieben ihm noch einige Tage, in denen er Anrufe entgegennehmen konnte: Es war Amanda.
»Warum hast du dich nicht mehr bei mir gemeldet?«
»Hast du das Gespräch der beiden belauscht? Mein Kreditwar vorzeitig aufgebraucht, das Interessanteste konnte ich nicht hören.«
»Nein«, sagte sie, »ich bin zurück in mein Zimmer. Bis mein Vater kam und fragte, warum ich doch nicht weggefahren sei. Willst du mir nicht endlich erklären, was das alles soll?«
»Kannst du zu mir auf den Deich kommen? Bring eine Fotokamera, deinen Mp3-Player und eine Videokamera mit, falls du eine besitzt.«
Als Amanda Lunau sah, verschlug es ihr die Sprache. Lunau bat sie, die Observierung von Zappaterra zu übernehmen. Sein merkwürdiges Aussehen werde er ihr beim nächsten Zusammentreffen erklären. Amanda wollte sofort eine Aussprache, aber Lunau setzte sich in seinen Wagen und fuhr weg.
70
Pirri starrte aus dem Fenster seines Arbeitszimmers und suchte die Straße nach verdächtigen Gestalten ab. Nichts. Er lief zur Tür, lauschte ins Treppenhaus: Auch nichts. Er schaute auf seinen Computer. Er würde nicht spielen, das hatte er sich geschworen. Nicht einmal Gratisspiele. Also kehrte er wieder ans Fenster zurück. Es war genau wie vorher in der Gefängniszelle. Die Angst brachte ihn um. Und jetzt hatte er kein Geld mehr, weder für Leibwächter noch für Überwachungskameras. Ihm blieb nur seine Frau. Aber wo steckte sie so lange? Nie hätte er gedacht, dass er einmal seine Frau herbeisehnen würde, weil er sich ohne sie fürchtete!
Er schaute auf die Uhr. Ein, zwei Stunden, hatte sie gesagt. »Eine oder zwei?«, hatte er nachgefragt. »Ist doch egal.« Es war nicht egal. Aber es waren erst zwanzig Minuten vergangen, seit sie mit dem Fahrrad aus der Einfahrt gerollt war, mit dem lächerlichen Weidenkorb auf dem vorderen Gepäckträger.
Seit drei Tagen war er aus der Haft entlassen, seit drei Tagen hatten sie nicht angerufen. Nur Balboni, sein Anwalt, die Presse. Und die Genossen, die ihn dazu anhielten, den Ruf der Partei nicht zu schädigen. Endlich sein Mandat niederzulegen. Als ob das jetzt von Bedeutung gewesen wäre! Aber warum hatte er nicht angerufen? Oder seine Geldeintreiber? Vor nichts hatte er sich mehr gefürchtet als vor dem Telefonterror, der losbrechen würde. Dass man ihn hetzen würde wie ein Tier. Stattdessen: Stille. Und diese Stille war noch unheimlicher als Drohungen.
Pirri zuckte zusammen, als es klingelte. Er lief zur Gegensprechanlage im Flur und schaute auf den Monitor. An der Pforte stand ein Mann. In dem eingeschwollenen Gesicht konnte man nur mit Mühe Kaspar Lunau, den deutschen Journalisten, erkennen. Pirri wollte schon den Summer drücken, als er Verdacht schöpfte. Er ging wieder an das Fenster seines Arbeitszimmers und schaute hinaus. Dasselbe Bild: Kaspar Lunau stand an der Pforte. Niemand sonst war auf der Straße zu sehen.
Pirri ging die Treppe hinunter, betätigte den Summer, schaute durch den Türspion und riss die Tür auf, als Lunau davor stand. Er zog den Mann herein und schlug die Tür wieder zu.
»Haben Sie meine Frau gesehen?«, fragte Pirri.
»Nein, wieso?«
»Sie ist einkaufen gegangen, aber noch nicht zurück.«
Lunau schüttelte bedauernd den Kopf.
»Ist man Ihnen gefolgt?«
»Nein. Aber die Leute, die hinter Ihnen her sind, wissen, wo Sie wohnen.«
Pirri schaute Lunau missmutig an und sagte: »Natürlich. Kommen Sie.«
Sie gingen die Treppe hoch. Pirri bezog wieder Posten am Fenster.
»Sie haben den Mord nur gestanden, weil Sie meinten, Sie seien im Knast sicherer, oder? Wer war es?«, fragte Lunau.
Pirri antwortete nicht.
»Oder haben Sie tatsächlich Ihren Freund umgebracht? Und Zappaterra hat dafür Ihre Schulden bezahlt? Aber vor wem haben Sie dann noch Angst?«
Pirri schüttelte den Kopf, und Lunau verlor allmählich die Geduld. Er packte Pirri an den Schultern und rüttelte ihn. Seine Stimme wurde immer lauter: »Warum haben Sie mir im Magazzino diese Märchen erzählt? Warum haben Sie versucht, mich über den Haufen zu fahren? Was haben Sie mit Di Natale gemacht?«
»Ich war es nicht.«
Er ließ sich in einen Sessel fallen und hielt sich den Kopf.
»Sie müssen mir glauben. Ich … ich habe ihn nicht
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