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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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sprang nur die Mailbox an.
    Da hörte er ein metallisches Geräusch. Seine Frau schob den Schlüssel ins Schloss. Er wollte ihr entgegengehen, ihr den Einkauf abnehmen, aber dann überlegte er es sich anders. Sie sollte nicht denken, dass er die ganze Zeit nur auf sie gewartet hätte und jetzt, da ihm alles genommen wurde, vor ihr zu Kreuze kroch. Er war immer noch der Mann im Haus.
    Er zog ein Buch aus dem Regal, schlug es an einer x-beliebigen Stelle auf und setzte sich auf die Chaiselongue. Er würde sich nicht konzentrieren können, und doch tasteten sich seine Augen mechanisch durch die Zeilen, die von einem Kind erzählten, von einem Krüppel, dessen die Geschwister sich schämten und den sie deshalb umbringen wollten. »Eines Tages im Sommer, es regnete, schleppten die Kinder Menuchim aus dem Haus und steckten ihn in den Bottich, in dem sich Regenwasser seit einem halben Jahr gesammelt hatte, Würmer herumschwammen, Obstreste und verschimmelte Brotrinden. Sie hielten ihn an den krummen Beinen und stießen seinen grauen, breiten Kopf ein Dutzendmal ins Wasser. Dann zogen sie ihn heraus, mit klopfendem Herzen, roten Wangen, in der freudigen und grausigen Erwartung, einen Toten zu halten.« Wie oft hatte er dieses Buch gelesen, wie gern hatte er sich als Krüppel gefühlt! Schon als Kind, als er in seinem Jahrgang die schnellste Zeit auf 100 Meter lief und die besten Klausuren schrieb. Als die ganze Stadt ihm mit Respekt begegnete, ihm, dem Sohn des Bürgermeisters und Senators der Republik. Vor Rührung wurden seine Augen feucht, und die Buchstaben verschwammen.
    Deshalb hielt er die Gestalt, die das Zimmer betrat, immer noch für seine Frau, als schon ein zweiter Mann nachgekommen war und sich auf ihn geworfen hatte. Sie trugen dünne schwarze Motorradhauben und blockierten seine Arme. Das Buch fiel zu Boden, der Lauf einer Waffe berührte seine Schläfe. Ganz sanft.
    »Setz dich an den Schreibtisch«, sagte eine männliche Stimme,die Pirri nicht kannte. Er stand auf, zitternd. Obwohl er wusste, dass sie ihn nicht töten würden. Die Kuh, die man melkt, schlachtet man nicht. Allerdings wusste er auch, dass diese Zahlungserinnerung schmerzhaft sein würde. Und er hasste Schmerzen, er war ihnen nicht gewachsen.
    »Ich tue, was ihr wollt, bitte!«, sagte er.
    »Nimm dein Briefpapier und schreib!«
    Was die Stimme, die er nicht kannte, ihm diktierte, beunruhigte ihn. Aber jedes Mal wenn er innehielt, drückte sich der kalte Lauf in seinen Nacken. Wo nur blieb seine Frau?
    Er setzte seine Unterschrift unter den Brief, dessen Authentizität man allein deshalb anzweifeln würde, weil das Zittern seiner Hand die Schrift verfälscht hatte.
    »Jetzt steh auf«, sagte die Stimme. Der zweite Mann hatte die ganze Zeit über geschwiegen, aber er war nicht untätig gewesen. Er hatte eine von Ericas Wäscheleinen doppelt verdrillert, eine Schlinge geknüpft und an dem Haken des Kristalllüsters befestigt. Sie hoben ihn mit vereinten Kräften auf einen Stuhl, schoben seinen Kopf durch die Schlinge, und als er sich wehren wollte, war es zu spät. Seine Hände griffen ins Leere, er verlor das Gleichgewicht. Seine Füße tasteten nach dem Stuhl. Vergeblich, er war umgefallen. Die Schnur schnitt tief in seine Kehle, der Druck in seinem Kopf wuchs, und dann kam plötzlich die Angst zurück. Dass dies mehr sein könnte als nur eine Warnung.
73
    Lunau klingelte Sturm, und als sich die Tür einen Spalt öffnete, drückte er sie auf. Dany stand im Bademantel vor ihm, mit nassen Haaren. Sie starrte ihn genauso ungläubig an wie alle anderen. Lunau redete nicht, er versuchte, aus ihrer Miene abzulesen, obsie nur über seine Verletzungen entsetzt war oder ob sie gemeint hatte, er wäre tot. Weil Zappaterra es ihr erzählt hatte. Weil sie mit Zappaterra gemeinsame Sache machte.
    »Sie haben mich belogen«, sagte Lunau. »Sie haben mich von Anfang an verarscht. Sie hatten nie eine Beziehung zu Vito Di Natale. Was sollte dieser Unsinn?«
    Dany ging ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Lunau sah wieder den Samstagnachmittagsverkehr, der zum Einkaufszentrum rollte.
    »Wo waren Sie am Mittwochabend?«
    Sie überlegte nicht einen Augenblick, sondern sagte: »Ich war mit Andrea Zappaterra zusammen, von 19 bis 24 Uhr.«
    »Das haben Sie auswendig gelernt. Hat Zappaterra in der Zeit telefoniert?«
    »Vielleicht.«
    »Nicht vielleicht, ganz sicher. Er hat einen Anruf von einem Schwimmbagger bekommen und hat den Befehl gegeben, mich zu

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