Acqua Mortale
überlegte, ob er nicht sofort ablegen und die Mühle vom Ufer aus beobachten sollte. Aber er hatte von seinem Oberdeck aus den ganzen Fluss im Blick. Wenn Zappaterra übersetzen wollte, blieb Lunau genug Zeit, im Schutz der Mühle ans Gegenufer zu verschwinden.
80
Lunau zuckte zusammen, als das Handy an seinem Oberschenkel vibrierte. Er holte es mit zitternden Fingern aus der Hosentasche und drückte auf die grüne Taste. Es war Amanda. Sie flüsterte.
»Zappaterra hat das Gewehr in einem Gebüsch versteckt. Er hat seinen Kofferraum mit den Plastikbahnen ausgelegt und den Wagen ebenfalls im Unterholz versteckt. Er scheint auf jemanden zu warten.«
»Wo bist du, verdammt noch mal? Ich hatte gesagt, du sollst dich raushalten.«
»Ich bin am Lido.«
»Wir überlassen alles Weitere der Polizei. Ich rufe jetzt Balboni an. Du fährst sofort nach Hause, verstanden?«
Die Verbindung wurde unterbrochen. Lunau steckte sich die Schraubenzieher in die Gesäßtasche, warf die Axt ins Boot und legte ab. Dann rief er Balboni an und gab ihm die Informationen durch.
»Wenn Sie ihn auf frischer Tat ertappen wollen, dann müssen Sie sich unauffällig nähern.«
»Meine Arbeit lassen Sie mal mich tun. Das Wichtigste ist, Unheil zu verhüten.«
Lunau hieb die Ruder ins Wasser. Sein ganzer Plan ging schief. Balboni würde mit seiner Armee anrücken und Zappaterra vertreiben, dann konnten sie von vorne anfangen. Auf wen wartete Zappaterra? Wer konnte ihm, außer Lunau, so gefährlich werden, dass er noch einen Mord riskierte? Gasparotto. Die einzige Erklärung. Und sie erfüllte Lunau fast mit Genugtuung. Gasparotto hatte es geschafft, bei der ganzen Affäre mitzuverdienen, ohne sich jemals zu exponieren. Sollten die Aasgeier sich gegenseitig erledigen. Irgendwann war die Habgier stärker als jede Vernunftehe. Balboni konnte sich ruhig Zeit lassen.
81
Amanda spürte, wie ihr Herz hämmerte. Sie war Zappaterra in großem Abstand, mit abgeschalteten Scheinwerfern, gefolgt und hatte ihr Auto oben an der Deichstraße stehen lassen. Sie war sich sicher gewesen, dass Zappaterra sie nicht bemerkt hatte. Aber jetzt schlich er mit angelegtem Gewehr durchs Unterholz, als suchte er etwas. Amanda wagte nicht mehr, sich zu rühren. Sie lag auf dem Bauch und hörte, wie Reisig knackte und Zappaterras Stiefel auf Müll und in Pfützen traten. Amanda trug Jeans und einen Militärparka, die Tarnfarbe würde sie schützen. Doch dann fielen ihr die Turnschuhe mit den fluoreszierenden Streifen ein. Die mussten verschwinden. Am besten unter dem Parka. Sie schob ein Knie seitlich an der Flanke hoch, griff nach ihrem Fuß und zog vorsichtig an einem der Klettverschlüsse. Das Ratschen platzte in die Stille wie eine Chipstüte im Kino. Amanda hielt inne. Ebenso wie die Schritte Zappaterras. Amanda biss die Zähne so fest zusammen, dass ihr Kiefergelenk schmerzte. Sie wollte ihr Handy aus der Tasche holen. Aber inzwischen war alles zu spät. Das Geräusch von Zappaterras Schritten war wieder da. Es kam genau auf sie zu. Trockene Äste, eine Blechdose, Sand, ein Stück poröses Plastik, Gras, sie konnte die Materialien unterscheiden, die unter seinem Gewicht nachgaben.
82
Marta Zappaterra wurde von ihrem Handy geweckt. Sie schaute auf den leeren Platz neben sich, und dann fiel ihr ein, dass sie ihren Mann ausquartiert hatte. Er schlief im Gästezimmer. Sie griff nach dem Telefon und meldete sich.
»Was, du? Weißt du, wie spät es ist?«
Es war Dany Bellini.
»Mach mal deinen Computer an.«
»Aber wieso um diese Zeit?«
Martas Herz schlug schneller. Irgendetwas lief aus dem Ruder, und das entsprach nicht den Vereinbarungen. Als der Signalton am Rechner ertönte, stöpselte sie die Freisprechanlage an.
»Siehst du mich?«, fragte Dany.
»Ja, ich sehe dich. Wo bist du?«
Dany Bellini saß in ihrem Auto.
»In meinem Wagen.«
»Das kann ich erkennen, aber wo bist du?«
»Kann ich dir leider nicht sagen.«
»Dany, was soll das?«
»Lass einfach die Aufnahme laufen, wie besprochen. Du wirst das Video noch brauchen.«
Danys Gesicht rutschte aus dem Bild. Die Webcam nahm nur noch Finsternis auf.
»Dany, Dany«, schrie Marta, und dann fingerte sie nach ihrem Handy und wählte den Notruf. Sie erkannte jetzt den Fluss, über den die Scheinwerfer von Danys Auto rutschten. Ein Mann kam ins Bild. Zappaterra schlief nicht im Gästezimmer. Er war am Fluss. In einem Kampfanzug.
83
Scheinwerfer fingerten über den Deich, fielen abwärts durch die
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