Acqua Mortale
mit beiden Händen. Lunau spürte die Zustimmung und alles, was dieser Mensch an Herzlichkeit aufbringen konnte. Corelli kletterte zurück auf den Kutter, die beiden Brüder grüßten noch einmal mit einer Geste und drehten ab.
Lunau sah den Kutter hinter der Biegung verschwinden, hörte noch einmal das Nebelhorn und fühlte sich merkwürdig allein. Er nahm das Autan-Spray und besprühte alle freiliegenden Hautpartien,auch wenn die Mückenstiche nach diesen zwei Wochen nicht mehr so juckten wie am Anfang. Er kletterte auf den Vorbau der Hütte, rollte den Schlafsack aus und legte sich auf den Rücken. Venus leuchtete bereits, und nach und nach tauchten kleinere, in der Feuchtigkeit changierende Lichtpunkte auf.
Lunau dachte an die Wagenremise, in der er bald wieder erwachen würde, an den Anblick des gealterten Schauspielers, der vor seinem Küchenfenster vorbeiging und ihm in seiner einstigen Entertainermanier zuzwinkerte. Senil, betrunken und todtraurig. Er dachte an Jette, deren Stimme weniger abweisend geklungen hatte als noch vor einem Monat.
Lunau rief Amanda an. Sie beschattete Zappaterra. Er war zu Hause und schaute ein Fußballspiel im Fernsehen.
79
Das Handyklingeln riss Lunau aus dem Schlaf. Er spürte zuerst die klamme Kälte, die durch die beiden Decken und den Schlafsack gekrochen war. Über dem Fluss war es stockfinster, nur das Display seines Telefons leuchtete. Das Wasser gurgelte unter den beiden Rümpfen, das Mühlrad knarrte. Lunau war sofort hellwach.
»Zappaterra belädt sein Auto.«
Amanda. Es war kurz vor zwei Uhr morgens.
»Jetzt schon?«
»Ja, jetzt schon.«
»Hast du eine Vorstellung, wie er es erfahren haben könnte?«
»Keine Ahnung. Aber er scheint die halbe Nacht wach geblieben zu sein. Er hat einen dieser weißen Plastikoveralls mit Tarnfarben besprüht. Und diesen Overall trägt er jetzt.«
»Was verlädt er? Siehst du Benzinkanister oder Flaschen?«
»Nein. Er hat Plastiksäcke und eine Waffe eingepackt. Mehr konnte ich nicht erkennen.«
»Was für eine Waffe?«
»Ein Gewehr.«
Irgendetwas stimmte nicht. Was hatte Zappaterra vor? Der Overall und die Plastiksäcke deuteten darauf hin, dass er penibel darauf bedacht war, Spuren zu vermeiden. Aber wenn er die Mühle versenken wollte, dann würde der Po dafür sorgen, dass etwaige Spuren verschwanden.
»Ich verständige Balboni, und du fährst nach Hause«, sagte Lunau.
»Aber …«
»Kein Aber. Du bringst dich nicht in Gefahr, verstanden?«
Lunau hörte, wie Amanda durch hohes Gras ging, die Autotür öffnete und sich in den Wagen setzte.
»Lass den Motor aus, bis er weg ist.«
Amanda atmete heftig, man hörte, ganz gedämpft, das Prasseln von Autoreifen auf Schotter und einen Dieselmotor, der vorbeifuhr.
»Ich schalte jetzt das Handy ab«, flüsterte Amanda.
»Du fährst nach Hause.«
Amanda hatte die Verbindung bereits beendet und das Handy abgeschaltet.
Lunau rief Balboni an. Das Telefon klingelte eine Unendlichkeit lang. Lunau fürchtete schon, die Mailbox würde anspringen, aber da ging Balboni ran. Mit äußerst ungehaltener Stimme sagte er: »Dass ich Ihnen meine Handynummer gegeben habe, war einer der größten Fehler …«
»Hören Sie mir genau zu. Ich liege mit der Schwimmmühle in der Flussbiegung bei Francolino. Zappaterra ist unterwegs, um die Mühle zu versenken. Er hat eine Waffe dabei, außerdem einen Kunststoffoverall angelegt. Sie wissen, was das bedeutet.«
»Nein.«
»Er will keine Spuren hinterlassen. Sie müssen es sich mit eigenen Augen anschauen.«
Balboni stieß eine Reihe von Flüchen aus. »Wovon reden Sie eigentlich?«
»Details erkläre ich Ihnen später. Sie können Zappaterra jetzt in flagranti schnappen.«
Balbonis Atem ging heftig. Man hörte, wie er sich im Bett umdrehte und flüsterte: »Ich habe die Schnauze voll von Ihren Wildwestspielchen. Haben Sie Zappaterra zu einer Straftat verleitet?«
»Ich tue nichts Illegales. Ich versuche nur, Di Natales Projekt zu vollenden.«
»Sie sind ein Sturkopf und ein Spinner.«
Balboni legte auf. Und ging auch nicht mehr an sein Handy. Lunau bekam es mit der Angst zu tun.
Irgendetwas hatte er falsch eingeschätzt. Denn wie hatte Zappaterra so schnell von der Mühle erfahren können? Und wozu brauchte er das Gewehr? Alles, was Lunau an Bord hatte, waren eine Axt und drei lange Schraubenzieher. Er legte eine Schwimmweste bereit und überprüfte noch einmal, dass das Beiboot sicher vertäut war und dass die Ruder darin lagen. Er
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