Acqua Mortale
ihren eigenen Computer vom Tisch, starrte auf den Monitor und ging eine Runde durch die Bar. Marta starrte auf ihren Bildschirm und sah die Aufnahmen von Danys Webcam. Sie sah Danys Gesicht, das starr ins Objektiv schaute, dahinter drehten sich die Tische und Scheiben, die Blumenkübel und Flaschenregale hinter dem Tresen.
»Verrückt«, sagte sie.
»Eine bessere Lebensversicherung gibt es nicht.«
Marta nickte. »Und wer soll ihn treffen?«
»Ich«, sagte Dany.
Marta überlegte einen Moment. Sie war in den zwanzig Jahren zu oft betrogen worden, um nicht misstrauisch zu werden. Warum sollte sie ausgerechnet Dany trauen?
»Lass lieber mich gehen«, sagte sie.
Dany zuckte mit den Achseln. »Ist mir gleich.«
Marta schaute sie verblüfft an. Man durfte dieses Mädchen nicht unterschätzen, sich nicht von seinem fragilen Körper täuschen lassen.
»Hast du keine Angst, ich könnte dich übers Ohr hauen?«
Wieder Danys fast schon tickhaftes Achselzucken.
»Es war deine Idee. Und du hast mich mit ins Boot geholt.«
Marta nickte. Das stimmte. Aber ein Plan ist eine Sache. Die Umsetzung eine andere. Man konnte auch im letzten Moment schwach werden. Das hatte man bei der Ermordung von Di Natale gesehen.
78
Das Stampfen des Dieselmotors, das Rauschen der Bugwelle und das Knarren des Schaufelrades vermischten sich zu einem fast überschwänglichen Konzert. Lunau stieg hinunter in den Rumpf und betrachtete die Kurbelwelle und die Holzzahnräder, die, ächzend und knirbelnd, den Mühlstein auf seiner Bodenplatte drehten. Jetzt wurde Lunau klar, was den Abdruck in dem ausgebrannten Hangar hinterlassen hatte: Es war eben dieser Mühlstein gewesen. Lunau kehrte an Deck zurück und suchte den Horizont ab. Das aufspritzende Flusswasser duftete, die Abendsonne stach in spitzen Bündeln durch die Pappelpflanzungen.
Die Corelli-Brüder standen in der halb offenen Kajüte des Fischkutters. Sie redeten nicht miteinander, ab und zu sahen sie sich nach der Mühle um, die sie im Schlepptau hatten.
Zappaterra sollte am nächsten Morgen die schwimmende Mühle in der Flussbiegung vorfinden. Zappaterra sollte denken, Lunau wolle Di Natales Plan alleine umsetzen. Eine schwimmende Mühle genau vor der Nase des Saugbaggers zu betreiben, um den Sandabbau zu stoppen. Zappaterra würde versuchen, die Mühle zu versenken. Das wäre zwar kein Beweis dafür, dass er ein Mörder war, aber es war eine Straftat. Balboni würde endlich freie Hand haben, um flächendeckend gegen Zappaterra zu ermitteln. Allein die Verbindungsübersichten von Zappaterras Telefonen würden vermutlich den wahren Mörder entlarven.
Lunau hoffte, dass Zappaterra schnell agieren würde. Denn der nächste Tag war schon wieder ein Montag, noch ein Arbeitstag, den Lunau im Sender versäumte. Er würde früh anrufen, und, wenn alles klappte wie geplant, am Dienstag wieder im Büro sein. Dr. Wilma Gerstner würde er mit italienischen Bescheinigungen belegen. Für die polizeiliche Vorladung, die Gehirnerschütterung, das angebrochene Schlüsselbein und die Prellungen.
Von Goro bis Francolino waren es etwa 55 Kilometer, aber Lunau hätte nicht erwartet, dass die Fahrt gegen die Strömung so lange dauern würde. Das Flussdelta hatte sich verengt, auf beiden Seiten waren jetzt die Deiche in ihrer fünffachen Terrassierung zu sehen. Die Sonne war als roter Ball auf den Wasserspiegel gesunken und dann erloschen. Schlagartig war es kalt geworden. Lunau holte seine Lederjacke aus der Sporttasche und überprüfte die Geräte, die Amanda ihm geliehen hatte. Eine Videokamera, einen Fotoapparat und einen Mp3-Player. Lunau würde in einem Schlafsack an Deck schlafen, in einem Versteck auf einem kastenförmigen Aufbau, von dem aus er den besten Überblick hatte und im Notfall ins Wasser springen konnte.
Sie hatten die Flussbiegung erreicht. Niemand zu sehen, auch der Schwimmbagger der ARNI nicht. Der Ältere der Corelli-Brüder kletterte an Bord und warf den Schirmanker aus. Der Schlepper gab Leine, aber die Mühle wurde von der Strömung fortgerissen. Es dauerte eine ganze Stunde, bis der Anker gegriffen hatte. Corelli schüttelte den Kopf.
»Der soll zwar eingespült werden, aber ich fürchte, der hält nicht lange. Der Sand da unten ist ständig in Bewegung. Und wenn Hochwasser kommt …«
»Mir reicht ein Tag«, sagte Lunau.
Corelli schaute ihn skeptisch an. Er wollte etwas sagen, verkniff es sich dann aber und schüttelte nur den Kopf. Er nahm Lunaus Hand und drückte sie
Weitere Kostenlose Bücher