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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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nannte das Schwäche. Und sie hatte recht. Es klingelte. Gasparotto erhob sich.
    »Entschuldige mich, ich habe noch zu arbeiten«, sagte er und ging zur Tür.
    »Arbeiten«, sagte seine Mutter, und das Wort klang noch vernichtender als »Kopien«. Er wusste, was sie meinte, und ihn ärgerte, dass er ihr im Grunde wieder Recht geben musste. Gasparotto drückte dem Mann widerwillig die Hand. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte diese Vereinigung der beiden Parteien nicht stattgefunden. Vereinigung. Seine Partei war von der anderen geschluckt worden, das Parteiprogramm war dem Verdauungsprozess zum Opfer gefallen. Der Mann vor ihm war untersetzt und hatte ein schelmisches Grinsen aufgesetzt. Was sollte das? Ahmte er seinen Partei- und Regierungschef nach? Der seine Karriere als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen begonnen hatte, und der immer Entertainer geblieben war. Als Erfinder des italienischen Privatfernsehens und als Regierungschef. Gasparottos Partei hatte ihm treu, bei jeder Wahl, zur nötigen Mehrheit verholfen. Das war Kameradschaft, ein Bündnis gegen die kommunistische Gefahr, gegen die Laschheit, Faulheit und Disziplinlosigkeit, die einrissen, wenn man sich von Gewerkschaften und Arbeiterführern auf der Nase herumtanzen ließ. Aber sollten sie deshalb jetzt alle wie Clowns auftreten? Jedes Problem mit einem Bonmot liquidieren?
    Der Mann setzte sich, noch bevor Gasparotto ihm einen Stuhl angeboten hatte. »Lass mich gleich zum Punkt kommen«, sagte er. »Wir wissen, wie viel wir dir zu verdanken haben. Wir stehen auf immer in deiner Schuld, aber wir können diesen so plötzlichen Entschluss nicht verstehen.«
    »Er kommt nicht plötzlich, er kommt viel zu spät.«
    Der Mann ruckelte auf dem Stuhl und schaute sich um. Ersuchte die Wände nach einer Hausbar ab. Ihn dürstete, nach Alkohol. Gasparotto betrachtete seine leicht gerötete Nase und den Kugelbauch, der sich aus dem billigen engen Jackett vorwölbte.
    Mein Gott, dachte er, wie wollen diese Leute den Schlendrian ausmerzen, der unser Land zu Grunde richtet? Sie sind selbst hoffnungslose Hedonisten. Wenn sie nicht den Vatikan bräuchten, um an der Macht zu bleiben, würden sie sogar ihren Atheismus zugeben.
    »Wir haben doch immer für gemeinsame Ziele gekämpft. Unsere Parteien waren zwei Seiten derselben Medaille, und nur gemeinsam können wir dieses Land regieren.«
    »Genau das ist das Problem«, sagte Gasparotto, »euch genügt es, dieses Land zu regieren. Meine Partei stand dafür ein, dieses Land umzugestalten. Wir haben eine Mission, die 1943 unterbrochen wurde.«
    »Versteh doch, dass diese Mission heute nur mit anderen Waffen fortgeführt werden kann. Die Menschen sind verweichlicht und misstrauisch. Den Faschismus kann man nur mit modernen Mitteln wiedererrichten. Was früher Propaganda hieß, heißt heute Marketing.«
    »Mag sein«, sagte Gasparotto, »aber die Marketinggenies seid ihr. Und dann verstehe ich nicht, wozu ihr mein Geld braucht.«
    »Marketing setzt bei den Bedürfnissen der Menschen an. Um diese Bedürfnisse zu erzeugen, muss man erst einmal investieren. Hast du finanzielle Schwierigkeiten?«
    Gasparotto wurde immer wütender. Und sein Blick machte seinem Gegenüber klar, wie unpassend die Bemerkung gewesen war. Endlich war das joviale Grinsen verschwunden.
    »Aber du willst doch nicht der Partei den Rücken kehren? Du setzt nur die Spenden aus?«
    Gasparotto schwieg. Er dachte daran, wie sich sein einstiger Parteichef jetzt mit versöhnender Geste nach Israel und zu Schwulenverbänden einladen ließ. Ekelhaft. »Ich setze sie nicht aus. Es ist vorbei mit meinen Spenden. Meine Partei gibt es nicht mehr.«
    Der Mann erhob sich. Plötzlich hatte seine Miene sich verändert.
    »Ist das dein letztes Wort?«
    Gasparotto hielt es für überflüssig, sich zu wiederholen.
    »Du weißt, dass man auf gute Freunde angewiesen ist«, sagte der Dicke und ruckte wild an seinem Revers.
    »Ja, auf gute .«
    »Glaubst du etwa, es war ein Zufall, dass nicht Vito Di Natale Chef der Binnenschiffahrtsbehörde geworden ist, sondern du?«
    »Natürlich nicht. Ich habe hart dafür gekämpft.«
    Der Gast lachte spöttisch. »Womit denn? Wenn ich bösen Zungen glauben will, dann waren deine beruflichen Qualitäten sogar eher hinderlich. Wie kommt es eigentlich, dass du nie den Abschluss an der Universität gemacht hast? Das hatte sicher nichts damit zu tun, dass die Formeln für statische Berechnungen im Deichbau einfach zu hoch für dich waren,

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