Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
Vom Netzwerk:
Gurgeln, eine braune Brühe schoss aus der Röhre. Sie kam mit einer solchen Wucht, dass sie den Enterhaken zur Seite schlug und Lunau fast umgerissen hätte. Die Flüssigkeit prallte gegen Lunaus Hosenbeine und spritzte in alle Richtungen. Lunau nutzte den Enterhaken als Krücke, stieß sich ab und sprang zur Seite. Wieder landete er auf dem schmerzenden Knöchel.
    »Pidrüs, Pidrüs!«, schrie es hinter ihm mit einem meckernden Lachen.
38
    Es war Sonntagnachmittag. Alberto Gasparotto und Adelchi Schiavon betraten das Parteibüro in der Via Ripagrande . Sie durchquerten einen Raum, der die Größe eines Klassenzimmers hatte und der mit Fahnen und Wahlplakaten ausgekleidet war. Ein keltischer Krieger, der ein Schild hielt und stolz das Schwert in den Himmel reckte, überfüllte Flüchtlingsschiffe, von denen zerlumpte Gestalten mit finsteren Mienen in die Kamera starrten. Der rote Balken mit dem Parteisymbol, der sich wie eine Barriere vor diese Überschwemmung stellte.
    Der Ortssekretär stand in der offenen Tür seines Büros und breitete die Arme aus. Er war ein Mann um die fünfzig. Sein Vollbart gepflegt und grau, der Haaransatz ein zackiges »V« über der Stirn. Er umarmte Adelchi Schiavon, küsste ihn auf beide Wangen und schaute dann den Neuling an.
    Adelchi stellte ihn vor: »Das ist Alberto Gasparotto. Ich denke, er bedarf keiner Präsentation.«
    »Nicht in dieser Stadt«, nickte der Sekretär. »Und ich meine, wir hätten uns am Donnerstag schon miteinander bekannt gemacht.«
    Gasparotto nickte und streckte die Hand aus. Der Parteisekretär ignorierte die Hand, griff den Gast an den knochigen Oberarmen, drückte ihm jeweils einen Kuss auf beide Wangen, schüttelte ihn herzlich an den Schultern und sagte: »Ich freue mich.«
    Er bot ihnen zwei Stühle an, die bequem, aber nicht weich waren. Gasparotto war froh, dass er sich setzen und den Schreibtisch zwischen sich und den Sekretär bringen konnte. Er war Körperkontakt nicht gewöhnt, schon gar nicht mit Fremden. Das Büro war mit einer Schlichtheit eingerichtet, die für Gasparotto an Stillosigkeit grenzte, mit billigen Stahlregalen und Furniermöbeln. Ein Fenster mit Milchglas ging auf einen Hinterhof, von dem der Lärm einer Bar hereindrang. Mülleimer krachten, Gegröle. Fußballfans begossen seit dem Vortag den Sieg der SPAL. Das also war seine, Gasparottos, neue politische Heimat.
    Der Sekretär öffnete eine Kladde, in der sich nur ein Blatt Papier befand: Sein Aufnahmeantrag.
    »Erst einmal Glückwunsch, dass Sie sich für uns entschieden haben.«
    Gasparotto nickte. Der Sekretär fuhr fort: »Adelchi hat mir viel über Sie erzählt, das heißt, er hat Sie in höchsten Tönen gelobt.«
    Schiavon machte eine abwehrende Geste.
    »Nun möchten Sie also Ihre Rolle in der Bewegung etwas genauer definieren. Das begrüße ich. Mir gefallen Mitglieder, die klare Vorstellungen haben und Initiative ergreifen.«
    Gasparotto wusste nicht, wie er seinen Wunsch formulierensollte. Dabei war er ganz einfach. Er wollte in den Stadtrat gewählt werden, oder, besser noch, Bürgermeister werden.
    »Also, welchen Beitrag möchten Sie leisten?«
    Gasparotto schluckte den Speichel herunter. »Ich habe mich in erster Linie aus politischen und ethischen Gründen für die Lega Nord entschieden.«
    Der Sekretär nickte erwartungsvoll. Aber als der Sprachfluss versiegte, musste er Gasparotto erneut beispringen: »Es ist gut, dass sie den ethischen Gesichtspunkt erwähnen. Hier setzt unsere Partei zuallererst an. Wir brauchen eine moralische Erneuerung des Landes. Jeder soll nach seinen Verdiensten belohnt werden, nicht nach den Gesetzen der Vetternwirtschaft. Wir müssen aufräumen mit Kriminalität und Korruption. In allen Bereichen. Rückhaltlos.«
    Gasparotto nickte bei jedem Punkt.
    »Und …«, jetzt reduzierte des Sekretärs Ton sich zu einem Flüstern, »… noch wichtiger ist, dass die Leute das erkennen. Wir dürfen also mit nichts in Verbindung gebracht werden, das irgendwie nach dem alten Sumpf riecht.«
    Gasparotto wurde unsicher. Sollte das eine Anspielung sein? Er schaute Schiavon an.
    »Adelchi legt für Sie die Hand ins Feuer. Es gibt nicht den geringsten Zweifel an Ihrer moralischen Integrität.«
    Gasparotto schüttelte den Kopf, und er wurde rot. Der Sekretär machte eine beschwichtigende Geste.
    »Sie brauchen nichts weiter zu sagen. Wir alle sind Menschen. Wir verstehen uns. Was hier zählt, ist Ihr Wort. Keine Gerüchte, Spekulationen. Ich weiß, dass

Weitere Kostenlose Bücher