Ada liebt
Schweigen.
Dass er es doch gekonnt hatte, war
noch nicht bis in mein Bewusstsein gedrungen. Eine kleine Veränderung
vielleicht, ein vorsichtiges Innehalten, das mich die Haustür nehmen ließ und
nicht den vertrauten Eingang, aber nicht mehr. Außerdem war es unmöglich, doch
nicht jetzt, gerade jetzt, wo ich die haarigen Euter anfassen mochte und mich
an eine Kuh gelehnt hatte, die warm war und weich.
Ich ließ meinen Blick nervös schweifen
über das Dach des Stalls, die Autos, den Briefkasten, die steinernen Stufen.
Schließlich blieb er hängen in den Tannen, und ein eisiger Wind brachte die
Äste in Bewegung und aus dem kalten, dünnen Regen wurde der erste Schnee.
Elisabet würde das jetzt romantisch
finden, dachte ich und mir fielen Filme ein, in denen es im entscheidenden
Moment schneite, und ich hatte mich immer gefragt, ob das wichtig war. Der
Schnee fiel in zarten Flocken und ich musste meinen Kopf senken, damit er mir
nicht in die Augen rieselte, und da sah ich neben mir meine Frauen aus England.
Bo hatte die Bücher in einen Karton
gesteckt und sie vor die Haustür gestellt, zum Altpapier. Die Bücher waren
durchweicht vom Regen und vom Frost und zwischen ihnen steckten alte Zeitungen
und die Pappe von Toilettenpapierrollen. Die dicken Einbände hatten sich mit
Wasser vollgesogen und waren aufgequollen und der Karton war so nass, dass er
an den Nähten gerissen war. In der Dunkelheit waren die Titel nur schwer zu
erkennen und ich starrte lange in den Karton, bis ich begriff, was das
bedeutete.
Ich ließ meine Hand sin ken, die bis
dahin noch immer bewegungslos auf der Türklingel geruht hatte, und ging einen
Schritt zurück. Ich stolperte die drei Treppenstufen hinunter und konnte mich
gerade noch fangen, bevor ich fiel. Ich ließ den Karton nicht aus den Augen.
Ich glaubte nicht, was ich sah, und ich verstand es nur langsam.
Ich ging rückwärts zum Auto und hielt
mich daran fest. Der Schnee fiel in mein Gesicht, meine Augen, und die Haut
wurde starr und hart von der Kälte und ich blickte zurück zum Haus, und dort
lagen noch immer die Frauen aus England und verschwanden leise unter dem
Schnee.
Der Anfang
Es beginnt heftiger zu
schneien und ein feines, flockiges Weiß hinterlässt einen flüsternden Film auf
der Scheibe. Er hat sie vor die Tür gestellt und der Regen hat sie aufgeweicht.
Ein Winter ohne Bo, und ich ziehe den Gurt fest um mich. Und ein Sommer. Ich
sehe in den Rückspiegel zur Haustür, zu dem Karton, und da steht Bo in der Tür.
Der Lichtkegel aus dem Flur hinter ihm lässt mir nur seine Umrisse in diesem
Moment.
Ein Frühling und danach wieder Herbst.
Ich warte und Bo steht in diesem Licht und bewegt sich nicht. Vielleicht sieht
er mich an. Sein Gesicht kann ich nicht sehen, es verschwindet in diesem
seltsamen Strahlen, nur seine Kontur, die sich in der Dunkelheit verliert,
flirrt nicht, und er hebt eine Hand und lässt sie dann langsam sinken.
Ich drehe mein Gesicht weg und lasse
den Motor an. Rückwärts fahre ich von der Auffahrt und Bo, die Haustür, das
Haus, der rauchende Schornstein, alles wird kleiner und verliert sich
schließlich in der Dunkelheit. Am Ende der Straße steht der Mond, mahnend und
eisig, und ich folge ihm und als ich in die Kleinstadt einfahre, erschrecke ich
über den Fortgang der Welt. Alles läuft in Zeitlupe vor der Scheibe weiter, die
Menschen verlieren ihre Farben und der weiße Puder legt sich auf die Wege, die
Dächer, die Köpfe und macht alles ganz leise.
Ich parke den Wagen am Straßenrand und
lege meine Hand gegen die Scheibe. Der Schnee stirbt auf der anderen Seite, das
Wasser rinnt leise hinunter und verfängt sich in den weißen Kristallen. Meine
Hand liegt still und ich sehe sie an. Wenn du und deine kleinen Hände hier
nicht alles durcheinanderbringen, hatte Bo gesagt.
Meine Hände haben ihn nicht halten
können. Aber sie haben ein Euter berührt, das war wie Sandpapier. Ich starte den
Motor und fahre, kurz darauf stehe ich vor einer roten Ampel. Du und deine
Scheißkühe, habe ich gesagt und einmal haben wir uns wegen der Frauen aus
England gestritten.
Bo hat in der Tür gestanden und mir
nachgesehen, bis ihn die Totalfinsternis seiner Nacht verschluckte. Er hat sich
nie im Schlaf bewegt und einmal hat er geflüstert, bleib bei mir, und ich habe
es nicht getan.
Ich habe immer neben Bo gestanden, und
ich habe ihn nie wirklich berührt, mein Herz war so kalt. Sein Gesicht steht
vor meinem hinter der Scheibe und ich sehe ihn an,
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