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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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großen Ohren lagen flach am Kopf, und die Adern unterhalb der hohen Wangenknochen sahen aus, als würde jeden Moment das Blut austreten. Er trug eine Samtjoppe mit Paspelverschluß, die an eine viktorianische Hausjacke erinnerte, und dazu schwarze, enganliegende Hosen. Genauso hätte ein Gutsbesitzer aus dem neunzehnten Jahrhundert sich erheben können, um einen Gast zu begrüßen, aber dieser Gast, das spürte Dalgliesh sofort, war hier in der eleganten Bibliothek ebensowenig willkommen wie vorhin draußen an der Haustür. Etienne lud ihn ein, ihm gegenüber Platz zu nehmen, setzte sich als erster und sagte: »Claudia hat mir Ihren Brief überbracht, aber bitte ersparen Sie mir neuerliche Beileidsbekundungen. Aufrichtig könnten sie ja ohnehin nicht sein, denn Sie haben meinen Sohn schließlich nicht gekannt.«
    »Man braucht einen Menschen nicht persönlich zu kennen«, sagte Dalgliesh, »um es zu bedauern, daß er allzu früh und sinnlos sterben mußte.«
    »Da haben Sie natürlich recht. Wenn ein Junger stirbt, hadert man immer besonders mit der Ungerechtigkeit des Todes, der die Jungen abberuft und die Alten weiterleben läßt. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Wein? Kaffee?«
    »Kaffee, bitte, Sir.«
    Etienne trat hinaus auf den Gang und schloß die Tür hinter sich. Dalgliesh konnte ihn rufen hören, wie ihm schien, auf Französisch. Rechts vom Kamin hing eine bestickte Klingelschnur, aber die mochte Etienne im Umgang mit seinen Hausgenossen offenbar nicht benutzen. Als er zurückkam und sich wieder auf seinen Platz setzte, sagte er: »Ich sehe ein, daß Sie herkommen mußten. Aber es gibt nichts, womit ich Ihnen weiterhelfen könnte. Ich habe keine Ahnung, warum mein Sohn gestorben ist, es sei denn, und das dünkt mich am wahrscheinlichsten, es war ein Unfall.«
    »Aber bei diesem Tod sind uns eine Reihe von Ungereimtheiten aufgefallen«, wandte Dalgliesh ein, »die auf Fremdeinwirkung schließen lassen. Ich weiß, daß der Gedanke schmerzlich für Sie sein muß, und es tut mir aufrichtig leid.«
    »Was sind das für Ungereimtheiten?«
    »Einmal die Tatsache, daß er ausgerechnet in einem Raum, in dem er sich sonst fast nie aufhielt, an Kohlenmonoxydvergiftung starb. Dann eine abgerissene Zugschnur an einem Oberlicht, die möglicherweise präpariert war, damit das Fenster sich nicht öffnen ließ. Ein fehlendes Diktiergerät. Ein abgeschraubter Gashahn, der entfernt worden sein könnte, als der Ofen schon eingeschaltet war. Der Zustand, in dem die Leiche gefunden wurde…«
    »Das ist mir alles nicht neu«, unterbrach ihn Etienne. »Sie wissen ja, daß meine Tochter gestern hiergewesen ist. Was Sie da anführen, sind aber doch alles nur Indizien. Waren denn Fingerabdrücke auf dem Gashahn?«
    »Nur verwischte. Für brauchbare Spuren ist die Fläche nicht groß genug.«
    »Selbst im Verbund betrachtet sind diese Spekulationen weniger – ungereimt, war das nicht Ihr Ausdruck? – als die Vorstellung, daß Gerard ermordet wurde. Ungereimtheiten sind keine Beweise. Die Sache mit der Schlange klammere ich ganz bewußt aus. Ich weiß, daß ein abgefeimter Possenreißer in Innocent House sein Unwesen treibt. Aber dessen Streiche verdienen wohl kaum die Aufmerksamkeit eines Commanders von New Scotland Yard.«
    »O doch, Sir, das tun sie sehr wohl, wenn sie nämlich mit einem Mord in Zusammenhang stehen, respektive ihn verkomplizieren oder den Tathergang verdunkeln.«
    Im Flur erklangen Schritte. Etienne ging sofort zur Tür und öffnete der Haushälterin. Sie kam mit einem Tablett herein, auf dem eine Kaffeekanne, ein brauner Krug, Zucker und eine einzelne große Tasse standen. Als sie das Tablett auf den Tisch gestellt hatte, wechselte sie nur einen Blick mit Etienne und ging gleich wieder hinaus. Etienne schenkte den Kaffee ein und brachte Dalgliesh die Tasse. Es war offensichtlich, daß er nicht mittrinken würde, und Dalgliesh fragte sich, ob das womöglich ein nicht sehr subtiler Trick sei, der ihn in eine unvorteilhafte Position manövrieren sollte. Da sich kein Tisch in Reichweite befand, stellte er die Tasse auf den Kaminsims.
    Etienne setzte sich wieder in seinen Sessel. »Falls mein Sohn ermordet wurde, dann verlange ich, daß sein Mörder bestraft wird, so unzulänglich diese Strafe auch sein mag. Es ist vielleicht nicht nötig, das zu betonen, aber für mich ist es wichtig, daß ich es sage und daß Sie mir glauben. Wenn Sie mich wenig hilfsbereit finden, so liegt das nur daran, daß ich Ihnen nicht helfen

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