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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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»Gib mir Bescheid, falls Du den Ring zurückhaben möchtest.«
    Daniel dachte, es sei ganz gut, daß der Brief ungeöffnet gefunden worden war. Denn wenn Etienne ihn noch erhalten hätte, würde der Verteidiger in einem späteren Prozeß daraus womöglich ein Selbstmordmotiv konstruieren. So aber spielte er für ihre Ermittlungen kaum eine Rolle.
    Kate sah Claudia verdutzt an. »Hatte Ihr Bruder eine Ahnung davon, daß Lady Lucinda die Verlobung platzen lassen wollte?«
    »Nicht, daß ich wüßte. Wahrscheinlich tut’s ihr inzwischen auch schon leid, daß sie den Brief geschrieben hat. Jetzt kann sie doch kaum mehr als untröstliche Verlobte posieren.«
    Etiennes Sekretär war modern, neutral und äußerlich ganz schlicht. Innen dagegen bestach er durch eine raffinierte Aufteilung in zahlreiche Schubladen und Fächer. Alles war tadellos geordnet: bezahlte Rechnungen, einige wenige, die noch offenstanden, die Scheckbücher der vergangenen zwei Jahre mit einem Gummiband zusammengehalten, in einer Schublade eine Mappe mit einer Aufstellung seiner Wertpapiere. Es war offensichtlich, daß Gerard nur das Nötigste aufbewahrt und sein Leben regelmäßig entrümpelt hatte. Alles Unwichtige wurde laufend aussortiert, und seine privaten und gesellschaftlichen Kontakte hatte er anscheinend, soweit sie bestanden, nur per Telefon gepflegt. Jedenfalls fanden sich unter den Papieren keine Briefe.
    Sie beschäftigten sich erst seit ein paar Minuten mit dem Schreibtischinhalt, als Claudia Etienne schon mit einem Tablett hereinkam, auf dem eine Kaffeekanne und drei Henkeltassen standen. Sie stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab, und die beiden holten sich von dort ihre Becher. Sie standen noch neben dem Tisch, Claudia mit ihrem Kaffee in der Hand, als man hörte, wie draußen am Eingang ein Schlüssel ins Schloß gesteckt wurde.
    Claudia gab einen ganz sonderbaren Laut von sich – ein Mittelding zwischen Keuchen und Stöhnen –, und Daniel sah, daß ihr Gesicht zu einer Maske des Entsetzens erstarrt war. Der Kaffeebecher fiel ihr aus der Hand, und auf dem Teppich erschien ein brauner Fleck, der sich rasch ausbreitete. Sie bückte sich, um den Becher aufzuheben, aber ihre Hände, die krampfhaft über den weichen Flor tasteten, zitterten so heftig, daß es ihr nachher nicht gelang, den Becher wieder aufs Tablett zu stellen. Daniel hatte das Gefühl, ihre panische Angst übertrüge sich auf Kate, denn auch sie starrten jetzt wie gebannt und mit schreckerfüllten Augen auf die geschlossene Zimmertür.
    Die ging langsam auf, und das Original der Fotografie trat ins Zimmer. »Ich bin Lucinda Norrington. Und wer sind Sie?« Ihre Stimme war hoch und klar, eine Kinderstimme.
    Kate war instinktiv neben Claudia in die Hocke gegangen und kümmerte sich um sie. Deshalb antwortete Daniel. »Wir sind von der Polizei. Detective Inspector Miskin, und ich bin Detective Inspector Aaron.«
    Claudia hatte sich rasch wieder gefangen. Kates Hilfe zurückweisend, richtete sie sich unbeholfen vom Boden auf. Lucindas Brief lag neben dem Tablett auf dem Tisch. Daniel war es, als seien aller Augen nur auf den weißen Umschlag gerichtet.
    Claudias Stimme klang rauh und kehlig. »Was willst du hier?«
    Lady Lucinda trat näher. »Ich komme wegen des Briefes. Ich wollte nicht, daß die Leute denken, Gerard hätte sich meinetwegen umgebracht. Und das hat er ja schließlich auch nicht, oder? Ich meine, es war doch kein Selbstmord?«
    Kate fragte ruhig: »Wie können Sie da so sicher sein?«
    Lady Lucinda richtete ihre großen blauen Augen auf sie. »Ganz einfach, er liebte sich viel zu sehr. Selbstverliebte Menschen bringen sich nicht um. Auf jeden Fall hätte er sich nicht das Leben genommen, bloß weil ich ihm den Laufpaß gegeben habe. Er hat mich nämlich gar nicht geliebt. Was er liebte, war bloß seine Vorstellung von mir.«
    Claudia Etienne hatte ihre normale Stimme wiedergefunden. »Ich hab’ ihm von Anfang an gesagt, daß diese Verlobung töricht sei, daß du ein egoistisches, überzüchtetes und ziemlich dummes Gör bist, aber da bin ich vielleicht unfair gewesen. Du bist nicht so dumm, wie ich dachte. Gerard hat deinen Brief übrigens gar nicht mehr bekommen. Ich hab’ ihn ungeöffnet vor der Tür gefunden.«
    »Und warum hast du ihn aufgemacht? Er ist schließlich nicht an dich adressiert.«
    »Irgendwer mußte ihn doch aufmachen.«
    Lady Lucinda sagte bloß: »Darf ich meinen Brief jetzt wiederhaben?«
    »Wenn Sie erlauben«, sagte Kate,

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