Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
»würden wir ihn vorläufig gern noch behalten.«
    Lady Lucinda schien dies gleichwohl mehr als Feststellung denn als Bitte aufzufassen. Trotzig sagte sie: »Aber er gehört mir, ich habe ihn geschrieben.«
    »Wir brauchen ihn wahrscheinlich nur für kurze Zeit, und wir haben schließlich nicht vor, ihn zu veröffentlichen.«
    Daniel, der sich nicht sicher war, wie die Rechtslage im Fall von Privatkorrespondenz aussah, fragte sich, ob sie tatsächlich befugt seien, den Brief zu beschlagnahmen, und was Kate wohl tun würde, wenn Lady Lucinda hartnäckig blieb. Er verstand eigentlich nicht, warum Kate soviel an dem Brief lag. Schließlich hatte Etienne ihn ja gar nicht mehr bekommen. Andererseits, wer konnte das beweisen? Sie hatten nur die Aussage seiner Schwester, daß sie ihn ungeöffnet auf der Türschwelle gefunden habe. Doch Claudia Etienne hatte dafür keine Zeugen. Lady Lucinda erhob keine weiteren Einwände. Sie wandte sich achselzuckend an Claudia.
    »Tut mir wirklich leid wegen Gerard. Es war ein Unfall, oder? So jedenfalls hat Mama dich am Telefon verstanden. Ein paar Zeitungen machten heute morgen allerdings so Andeutungen, als könnte der Fall komplizierter liegen. Er ist doch nicht etwa ermordet worden?«
    »Das ist nicht auszuschließen«, sagte Kate.
    Die blauen Augen richteten sich wieder nachdenklich auf sie. »Wahnsinn. Ich glaube, ich hab’ noch nie jemanden gekannt, der ermordet wurde, ich meine, persönlich gekannt.«
    Sie ging hinüber zu dem Regal, auf dem ihr Foto stand, nahm es und betrachtete es so eingehend, als sähe sie es zum erstenmal und sei im übrigen nicht gerade erbaut von dem, was der Fotograf aus ihrem Gesicht gemacht hatte. »Das nehm’ ich mit«, sagte sie dann. »Du wirst es ja wohl kaum haben wollen, Claudia.«
    »Strenggenommen«, versetzte Claudia, »dürften seine Sachen vorerst überhaupt nicht angerührt werden, außer von der Polizei oder den Testamentsvollstreckern.«
    »Die Polizei wird auch nichts mit meinem Bild anfangen können. Und ich will nicht, daß es hier in der leeren Wohnung bleibt. Nicht, wenn Gerard ermordet wurde.«
    Sie war also nicht frei von Aberglauben, eine Entdeckung, die Daniel interessierte, schon weil sie in so auffallendem Widerspruch zu dem kühlen, selbstbeherrschten Auftreten dieser jungen Frau stand. Er sah zu, wie sie das Foto musterte und mit einem langen, pink lackierten Fingernagel behutsam über das Glas strich, wie um zu prüfen, ob es staubig war. »Du hast doch bestimmt irgendwas«, sagte sie zu Claudia, »wo ich’s reinstecken kann.«
    »Vielleicht findest du in der Küche eine Plastiktüte, schau mal nach. Und falls sonst noch was hier ist, das dir gehört, wäre jetzt vielleicht eine gute Gelegenheit, es mitzunehmen.«
    Lady Lucinda machte sich nicht einmal die Mühe, sich im Zimmer umzusehen. »Weiter gehört mir nichts«, sagte sie.
    »Ach, und wenn du auch einen Kaffee magst, bring dir einen Becher mit. Er ist gerade frisch gemacht.«
    »Danke, aber ich möchte nichts.«
    Die drei warteten schweigend, bis sie in weniger als einer Minute mit einer Harrods-Tüte zurückkam, in der sie das Foto verstaut hatte. Sie wollte schon zur Tür, als Kate bat: »Lady Lucinda, würden Sie uns wohl ein paar Fragen beantworten? Wir hätten Sie ohnehin demnächst um eine Unterredung gebeten, aber da Sie nun schon einmal hier sind, könnten wir uns gegenseitig Zeit sparen helfen.«
    »Wieviel Zeit? Nein, ich meine, wie lange wird es dauern?«
    »Nicht sehr lange.« Und an Claudia gewandt: »Es macht Ihnen doch hoffentlich nichts aus, wenn wir das Gespräch hier in der Wohnung führen?«
    »Ich wüßte nicht, wie ich Sie daran hindern könnte. Aber Sie erwarten ja wohl nicht, daß ich mich solange in die Küche zurückziehe?«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    »Oder ins Schlafzimmer? Da hätte ich’s vermutlich bequemer.«
    Dabei sah sie Lady Lucinda durchdringend an, doch die erwiderte ganz ruhig: »Dazu kann ich nichts sagen. Ich bin nie in Gerards Schlafzimmer gewesen.«
    Sie setzte sich in den näheren der beiden Sessel, und Kate nahm ihr gegenüber Platz. Daniel und Claudia setzten sich dazwischen aufs Sofa.
    »Wann haben Sie Ihren Verlobten zuletzt gesehen?« begann Kate.
    »Er ist nicht mein Verlobter. Aber damals war er’s noch, stimmt. Also das war letzten Samstag.«
    »Samstag, der 9. Oktober?«
    »Ich nehm’s an, wenn letzten Samstag der 9. war. Wir wollten eigentlich nach Bradwell-on-Sea und seinen Vater besuchen, aber es hat

Weitere Kostenlose Bücher