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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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gewesen wäre und wenn er dich gebeten hätte, mit ihm nach Hause zu kommen, hättest du dann ja gesagt?«
    Sie dachte kurz nach und entschied dann, er habe eine ehrliche Antwort verdient. »Wahrscheinlich. Ja, ich wär’ mitgegangen.«
    »Und wäre das dann Liebe oder Sex?«
    »Weder noch«, antwortete sie. »Sagen wir, es wäre Neugier.«

45
    Am Montag morgen rief Daniel bei Peverell Press in der Zentrale an und bat George Copeland, während seiner Mittagspause auf dem Revier von Wapping vorbeizuschauen. Der alte Mann kam kurz nach halb zwei und brachte eine solche Last an Bangigkeit und Anspannung mit, daß sie sich auf die Atmosphäre im Raum zu übertragen schien. Als Kate meinte, es sei recht warm im Zimmer und ob er nicht vielleicht seinen Mantel ausziehen wolle, gehorchte er so überstürzt, als sei ihr Vorschlag ein Befehl gewesen, aber als Daniel dann den Mantel nahm und aufhängte, guckte er ihm mit so ängstlichen Blicken nach, als fürchte er, man wolle ihn seiner Kleider berauben, und dies sei nur der erste Schritt. Daniel betrachtete sein naives, rundes Gesicht und dachte, daß es sich seit seiner Kindheit wohl kaum sehr verändert haben dürfte. Die prallen Wangen mit den roten, halbmondförmigen Flecken, die fast wie aufgemalt wirkten, waren glatt wie Gummi, ein auffallender Kontrast zu der spröden grauen Haarmähne. Seine Augen blickten flehend und hoffnungsvoll zugleich, und die angenehme, aber schüchterne Stimme war vermutlich eher dafür geschaffen zu schlichten als sich durchzusetzen. Wahrscheinlich hat man ihn schon in der Schule schikaniert, dachte Daniel, und später im Leben gab es auch immer jemanden, der ihn herumschubste. In Innocent House hatte Copeland jedoch anscheinend sein Plätzchen gefunden, eine Arbeit, die ihm lag und die er offenbar auch zur Zufriedenheit seiner Chefs erledigte. Aber wie lange hätte Copeland sich unter dem neuen System wohl noch halten können?
    Zuvorkommender, als sie es Claudia Etienne oder einem der anderen Verdächtigen gegenüber gewesen wäre, hatte Kate ihm einen Platz vor ihrem Schreibtisch angeboten, doch nun saß er ihr steif wie ein Brett gegenüber und hielt die großen Hände zu Fäusten geballt im Schoß.
    »Mr. Copeland«, begann Kate. »An dem Abend von Mr. Etiennes Verlobungsparty, am 10. Juli – Sie erinnern sich? –, hat man Sie zusammen mit Mrs. Bartrum vom Archiv herunterkommen sehen. Was haben Sie dort oben gemacht?«
    Sie hatte die Frage ganz behutsam gestellt, aber die Wirkung war so verheerend, als hätte sie ihn brutal in die Ecke gedrängt und ihm ins Gesicht geschrieen. Er schien buchstäblich in sich zusammenzusinken, und die roten Halbmonde flammten auf und wuchsen, um dann ebenso schnell zu verblassen, und er war auf einmal so bleich, daß Daniel instinktiv näher trat, aus Angst, der alte Mann könne jeden Moment ohnmächtig werden.
    Kate fuhr fort: »Geben Sie zu, daß Sie im obersten Stockwerk gewesen sind?«
    Copeland hatte seine Stimme wiedergefunden. »Aber nicht im Archiv, da nicht. Mrs. Bartrum wollte zur Toilette. Ich hab’ ihr die oben gezeigt und draußen gewartet.«
    »Aber warum ist sie nicht einfach auf die Damentoilette bei der Garderobe im ersten Stock gegangen?«
    »Das wollte sie ja, aber beide Kabinen waren besetzt, und draußen stand schon eine Schlange. Sie war – sie hatte es sehr eilig.«
    »Und da haben Sie sie nach oben geführt. Aber warum hat sie sich überhaupt an Sie gewandt statt an eine der weiblichen Angestellten?«
    Die Frage, dachte Daniel, hätte man vielleicht eher Mrs. Bartrum stellen sollen. Aber das würde zweifellos auch noch geschehen.
    Copeland schwieg. Kate insistierte: »Wäre es nicht naheliegender gewesen, sich an eine der Frauen zu wenden?«
    »Mag sein, ja, aber sie war zu schüchtern. Sie kannte ja dort niemanden, und ich stand halt gleich bei der Garderobe.«
    »Und Mrs. Bartrum kannte Sie, meinen Sie das?« Er antwortete nicht, nickte aber flüchtig. Kate fragte weiter: »Wie gut kennt sie Sie denn, Mr. Copeland?«
    Und jetzt sah er ihr gerade ins Gesicht und antwortete: »Sie ist meine Tochter.«
    »Mr. Sydney Bartrum ist mit Ihrer Tochter verheiratet? Na, das erklärt doch alles. Sie kam zu Ihnen, weil Sie ihr Vater sind. Aber das ist offenbar nicht allgemein bekannt, oder? Warum denn die Heimlichtuerei?«
    »Wenn ich’s Ihnen sage, müssen Sie das dann weiterleiten? Müssen Sie sagen, daß Sie’s von mir haben?«
    »Wir brauchen es niemandem zu erzählen außer

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