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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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ist, fühlt sie sich nicht wohl. Ja, ich glaube, sie würde ganz gern aufs Internat gehen, aber sie geniert sich, es graderaus zu sagen.«
    Kate wurde allmählich gereizt. Es war schließlich höchste Zeit. Sie mußten noch Mrs. Carlings Wohnung durchsuchen, und um halb zwölf kam schon die Agentin.
    Aber Dalgliesh schien die Ruhe selbst. »Ich würde vorschlagen«, sagte er, »Sie und Daisy sprechen das mal in aller Ruhe mit Mr. Mason durch. Letzten Endes ist es ja doch Daisys Entscheidung.«
    Mrs. Reed machte immer noch keine Anstalten, wieder hineinzugehen. Statt dessen sah sie Dalgliesh an, als warte sie noch auf etwas, auf eine Ermunterung, die nur er zu geben vermochte.
    Dalgliesh sagte: »Sie dürfen nicht denken, daß ein Internat unbedingt falsch für Daisy sein muß, nur weil es zufällig für Sie eine große Entlastung wäre. Es könnte durchaus das Richtige für Sie beide sein.«
    »Danke, vielen, vielen Dank«, flüsterte sie und huschte in die Wohnung zurück.

51
    Mrs. Carlings Wohnung lag einen Stock tiefer und ging zur Straße hinaus. In die schwere Mahagonitür waren außer dem Standardschloß noch zwei Sicherheitsschlösser montiert. Die Schlüssel drehten sich leicht, nur gegen die Tür mußte Dalgliesh sich ein wenig stemmen, weil von innen ein Stapel Post dagegen drückte. Der Flur roch muffig, und es war stockdunkel. Dalgliesh tastete nach dem Lichtschalter, knipste ihn an, und schon hatten sie auf einen Blick den Grundriß der ganzen Wohnung vor sich: ein schmaler Flur mit zwei Türen gegenüber vom Eingang und einer weiteren an jedem Ende. Er bückte sich, um die verstreuten Kuverts aufzuheben, und sah, daß es außer zwei Rechnungen fast nur Wurfsendungen waren, darunter ein Umschlag, der Mrs. Carling per Aufdruck mahnte, ihn umgehend zu öffnen, um sich nicht die Chance auf den Gewinn einer halben Million zu verscherzen. Und dann lag da noch ein zusammengefaltetes Stück Papier, auf dem in unbeholfener Krakelschrift geschrieben stand: »Kann morgen leider nicht. Muß mit Tracey in die Klinik, wegen hohem Blutdruck. Sehe Sie dann hoffentlich nächsten Freitag. Mrs. Darlene Morgan.«
    Dalgliesh öffnete eine der beiden Türen gleich gegenüber und machte auch hier Licht. Sie betraten das Wohnzimmer. Die beiden Fenster zur Straße waren fest geschlossen, die roten Samtvorhänge halb zugezogen. In dieser Höhe brauchte man nicht einmal mehr die neugierigen Blicke vom Oberdeck eines Busses zu fürchten, trotzdem war die untere Hälfte beider Fenster mit dichten, gemusterten Netz-Stores bespannt. Die dominierende Lichtquelle im Raum war eine umgestülpte Glasschale mit blassem Schmetterlingsdekor, die von einer Rosette inmitten der Decke herabhing und deren Boden mit den schwarzen, eingeschrumpelten Leichen gefangener Fliegen gesprenkelt war. Daneben gab es noch drei Tischlampen mit Fransenborte am rosa Schirm, von denen eine auf einem Tischchen neben einem Lehnsessel stand, eine auf dem quadratischen Tisch zwischen den Fenstern und die dritte auf einem wuchtigen Rollschreibtisch links von der Tür. Wie aus einem dringenden Verlangen nach Licht und Luft zog Kate energisch die Vorhänge zurück, stieß ein Fenster auf und knipste dann der Reihe nach alle Lampen im Zimmer an. Sie atmeten die kühle Luft, die die Illusion von ländlicher Frische vermittelte, und blickten sich in dem Zimmer um, das sie erst jetzt deutlich erkennen konnten.
    Der erste Eindruck, betont noch durch den rosa Lampenschein, war der einer abgeschirmten, altmodischen Gemütlichkeit, die um so reizvoller wirkte, als die Eigentümerin keinerlei Konzession an den gängigen Zeitgeschmack gemacht hatte. Das Zimmer sah aus, als sei es in den dreißiger Jahren eingerichtet worden und seitdem praktisch unverändert geblieben. Die meisten Möbel wirkten wie Erbstücke, so der Rollschreibtisch, auf dem Esme Carlings Kofferschreibmaschine stand, die vier Eßzimmerstühle aus Mahagoni, die weder der Form noch der Epoche nach miteinander harmonierten, eine verglaste Vitrine im edwardianischen Stil, in der allerhand Porzellannippes und Teile eines Teeservices mehr gestapelt und übereinandergetürmt als dem Auge gefällig angeordnet waren, und endlich zwei verschossene Brücken, die so unpassend lagen, daß Dalgliesh annahm, sie sollten wohl Löcher im Teppich verdecken. Einzig die Sitzgruppe am Kamin – ein Sofa und zwei passende Sessel – war relativ neu. Auf dem Leinenbezug mit dem blaßrosa und gelben Blumenmuster lagen etliche

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