Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
meine, schien sie schwer zu sein, oder war sie ausgebeult, prall?«
»Da muß ich passen, Chef. Ich hab’ nix weiter geseh’n, als daß sie sie umgehängt hatte und daß sie reichlich groß gewesen is’.«
»Und Sie können beschwören, daß Sie die Dame hier auf dem Foto am Donnerstag von Hammersmith zum Innocent Walk gefahren und sie um neunzehn Uhr dreißig lebend am Eingang zur Innocent Passage abgesetzt haben?«
»Ja, tot war sie bestimmt nich’, wie sie ausgestiegen is’. Gut, gut, ich kann’s beschwören, ja. Woll’n Sie jetzt auch noch ’n Protokoll?«
»Erst mal besten Dank, Mr. Johnson, Sie haben uns sehr geholfen. Ja, wir würden gern ein Protokoll aufnehmen. Das machen wir dann aber nebenan, bitte.«
Der diensthabende Polizist begleitete Mr. Johnson hinaus. Gleich darauf öffnete sich die Tür wieder, und Sergeant Robbins steckte den Kopf herein. Er versuchte gar nicht erst, seine Erregung zu kaschieren.
»Sir, eben kam ein Anruf vom Londoner Hafenamt! Sie wissen schon, die Antwort auf unsere Anfrage vor ’ner Stunde, wegen möglicher Augenzeugen auf der Themse. Also die Royal Nore, das Patrouillenboot von der Hafenbehörde, ist gestern abend an Innocent House vorbeigefahren. Der Amtsleiter hat an Bord eine Dinnerparty veranstaltet. Um acht wurde gegessen, aber drei der Gäste wollten unbedingt mal das berühmte Innocent House sehen und waren oben an Deck. Ihrer Schätzung nach muß das so gegen zwanzig vor acht gewesen sein. Und die drei beschwören, Sir, daß der Leichnam da nicht an der Uferlände hing und daß auch niemand auf der Terrasse war. Aber das ist noch nicht alles, Sir. Die Herrschaften sind sich ganz sicher, daß die Fähre links vom Steg lag und nicht rechts. Ich meine vom Fluß aus gesehen links, Sir.«
»Ach du Scheiße!« rief Daniel. »Dann hat AD also den richtigen Riecher gehabt. Die Carling ist tatsächlich auf der Fähre getötet worden. Der Mörder hörte das Patrouillenboot vom Hafenamt und hielt die Leiche so lange an Bord versteckt, bis die Luft rein war. Dann erst hat er die Tote an der Uferlände aufgeknüpft.«
»Aber warum auf der anderen Seite von der Treppe? Warum macht er sich die Mühe und manövriert eigens das Boot nach drüben?«
»Weil wir nicht merken sollten, daß der Mord auf der Fähre verübt wurde. Das letzte, was der Täter will, ist, daß die Spurensicherung auf dem Boot rumschnüffelt. Und noch was. Er muß die Carling hinter dem schmiedeeisernen Tor unten an der Innocent Passage getroffen haben. Er hatte einen Schlüssel und erwartete sie im Seiteneingang. Es war weniger gefährlich für ihn, wenn er sich strikt an diese Seite der Terrasse hielt, so weit wie möglich von Innocent House und von Nummer 12 entfernt.«
Robbins hatte noch einen Einwand. »Aber war es denn nicht riskant, das Boot umzusetzen? Miss Peverell und Mr. de Witt hätten doch was hören können. Und wenn, dann wären sie doch bestimmt runtergekommen, um nachzusehen.«
»Die beiden behaupten aber, daß man von Miss Frances’ Wohnung aus nicht mal einen Wagen vorfahren hört, es sei denn, er kommt bis auf das holprige Kopfsteinpflaster von der Innocent Lane. Wir können das natürlich noch mal überprüfen. Aber ich denke mir, selbst wenn sie einen Bootsmotor gehört haben, wird ihnen das nicht verdächtig vorgekommen sein. Auf der Themse sind schließlich immer wieder Fähren unterwegs. Und außerdem hatten sie die Vorhänge zugezogen. Allerdings gibt’s da auch noch eine andere Möglichkeit.«
»Und die wäre, Sir?«
»Daß es die beiden waren, die das Boot versetzt haben.«
57
Es war gerade erst halb sechs, und das an einem Samstag, wo normalerweise viel los war, aber der Laden war abgesperrt, und ein Schild mit der Aufschrift »Geschlossen« hing hinter der Glasscheibe. Claudia drückte auf die Klingel neben dem Eingang, worauf binnen Sekunden Declans Silhouette erschien und die Tür entriegelt wurde. Kaum, daß sie über die Schwelle war, spähte er rasch die Straße hinauf und hinunter und schloß dann wieder hinter ihr ab.
»Wo ist Mr. Simon?« fragte sie.
»Im Krankenhaus. Ich komme gerade von ihm. Es geht ihm sehr schlecht. Er meint, es ist Krebs.«
»Und was sagen die Ärzte?«
»Die wollen erst noch verschiedene Untersuchungen durchführen. Aber sie denken auch, daß es ernst ist, das hab’ ich ihnen angesehen. Heute morgen hab’ ich Simon endlich dazu gekriegt, daß er seinen Hausarzt angerufen hat, Dr. Cohen, und der hat gleich gesagt: ›Mann
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