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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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kannte diesen Blick. Man mochte die Polizei brauchen, sie sogar ungeduldig erwarten, aber selbst von denjenigen, die sich nichts hatten zuschulden kommen lassen, wurde sie selten unbefangen begrüßt. Ein paar Sekunden lang schweiften Kates Gedanken ab, und sie dachte darüber nach, welche Berufsgruppen die Leute wohl ohne Vorbehalt ins Haus ließen. Ärzte und Klempner standen ganz oben auf der Liste, Hebammen hielten vermutlich die Spitze. Sie überlegte, was es wohl für ein Gefühl wäre, mit dem aufrichtigen Stoßseufzer: »Gott sei Dank, daß Sie da sind!« empfangen zu werden. In diesem Moment klingelte das Telefon, und der alte Mann nahm den Hörer ab. Seine Stimme war leise und sehr angenehm, nur schwang jetzt unverkennbar ein kummervoller Ton mit, und Kate sah, daß seine Hände zitterten.
    »Peverell Press. Kann ich Ihnen behilflich sein? Nein, bedaure, Mr. Gerard ist nicht erreichbar. Darf ich Sie vielleicht später zurückrufen lassen?« Er blickte wieder hoch, sah diesmal Claudia Etienne an und sagte hilflos: »Es ist Matthew Evans’ Sekretärin von Faber, Miss Etienne. Er wünscht Mr. Gerard zu sprechen. Es geht um die Konferenz zum Thema Raubdrucke am nächsten Mittwoch.«
    Claudia nahm ihm den Hörer ab. »Hier spricht Claudia Etienne. Bitte richten Sie Mr. Evans aus, daß ich ihn so bald wie möglich zurückrufen werde. Aber für heute ist der Verlag leider geschlossen. Wir hatten einen tragischen Unfall. Sagen Sie ihm, Mr. Gerard ist tot. Ich weiß, er wird Verständnis dafür haben, daß ich jetzt nicht mit ihm sprechen kann.«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, legte sie auf und wandte sich dann an Dalgliesh. »Es hätte ja doch keinen Zweck, es geheimzuhalten, oder? Tot ist tot. Das ist keine vorübergehende Verlegenheit, kein kleines Malheur. Man kann hinterher nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre. Im übrigen wird die Presse sowieso bald Wind davon bekommen.«
    Ihre Stimme klang schroff, die dunklen Augen funkelten hart. Sie sah aus, als sei es eher Zorn als Kummer, was sie beherrschte. An ihren Portier gewandt, fuhr sie in freundlicherem Ton fort:
    »Sprechen Sie eine kurze Nachricht auf den Anrufbeantworter, George, sagen Sie, der Verlag sei heute geschlossen. Und dann gehen Sie und lassen sich einen starken Kaffee geben. Mrs. Demery ist ja irgendwo im Haus. Ach, und falls vom Personal noch jemand kommt, dann schicken Sie die Leute wieder heim.«
    »Aber werden sie denn auch gehen, Miss Claudia?« wandte er ein. »Ich meine, sie werden sich doch von mir bestimmt nicht abwimmeln lassen.«
    Claudia Etienne runzelte die Stirn. »Nein, vielleicht nicht. Ich sollte wohl selber mit den Leuten reden. Oder halt, nein, besser noch, wir holen Mr. Bartrum. Er ist doch schon da, George, oder?«
    »Mr. Bartrum ist in seinem Büro auf Nummer 10, Miss Claudia. Er meinte, er hätte einen Haufen Arbeit und wolle bleiben. Er dachte, es sei in Ordnung, solange er sich nicht im Hauptgebäude aufhält.«
    »Dann seien Sie doch so gut und rufen bei ihm durch, George. Bitten Sie ihn, auf ein Wort zu mir zu kommen. Er kann sich um die Nachzügler kümmern. Manche von ihnen können sich vielleicht ihre Arbeit mit heimnehmen. Und sagen Sie ihnen, ich werde am Montag mit der ganzen Belegschaft sprechen.«
    Sie wandte sich wieder an Dalgliesh. »Wir sind bislang schon so verfahren, daß wir die Angestellten wieder nach Hause geschickt haben. Das war doch hoffentlich in Ordnung, oder? Es schien uns vernünftiger, nicht zu viele Leute auf dem Anwesen herumschwirren zu lassen.«
    »Früher oder später werden wir zwar alle vernehmen müssen, aber das eilt nicht«, sagte Dalgliesh. »Wer hat Ihren Herrn Bruder gefunden?«
    »Das war ich. Blackie – Miss Blackett, die Sekretärin meines Bruders – war dabei und Mrs. Demery, unsere Zugehfrau, ebenfalls. Wir sind zusammen hinaufgegangen.«
    »Und wer von Ihnen betrat den Raum als erste?«
    »Ich.«
    »Wenn Sie mir dann bitte den Weg zeigen würden. Nahm Ihr Bruder für gewöhnlich den Lift oder die Treppe?«
    »Die Treppe. Aber er ging normalerweise nie ganz nach oben. Das ist ja das Merkwürdige, daß er überhaupt im Archiv war.«
    Dalgliesh sagte nur: »Dann nehmen wir auch die Treppe.«
    »Ich habe oben abgeschlossen, nachdem wir die Leiche meines Bruders gefunden hatten. Lord Stilgoe verwahrt den Schlüssel. Er wollte es so, und ich habe ihm den Gefallen getan. Warum nicht, wenn’s ihn glücklich macht? Vermutlich dachte er, einer von uns könnte wieder raufgehen

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