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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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und Beweise beiseite schaffen.«
    Aber in dem Moment kam Lord Stilgoe selbst dazu und meldete sich zu Wort. »Ich hielt es für richtig, den Schlüssel in Verwahrung zu nehmen, Commander. Übrigens muß ich Sie dringend unter vier Augen sprechen. Ich hatte Sie ja gewarnt. Ich wußte gleich, daß es hier früher oder später zur Katastrophe kommen würde.«
    Er hielt Dalgliesh den Schlüssel hin, doch Claudia kam ihm zuvor und nahm ihn an sich. Dalgliesh fragte: »Lord Stilgoe, wissen Sie, wie Gerard Etienne zu Tode kam?«
    »Natürlich nicht, wie sollte ich?«
    »Dann wollen wir unser Gespräch auf später verschieben.«
    »Aber die Leiche habe ich mir selbstredend angesehen. Hielt das nur für meine Pflicht. Abscheulich. Tja, ich hatte Sie gewarnt. Es liegt doch auf der Hand, daß diese Greueltat Teil der Kampagne gegen mich und mein Buch ist.«
    Dalgliesh wiederholte: »Später, Lord Stilgoe, später.«
    Er ließ sich wie immer Zeit damit, die Leiche in Augenschein zu nehmen. Kate wußte, daß der Chef, egal wie prompt er auch auf eine Mordmeldung reagierte, am Tatort unfehlbar ruhig und gelassen vorging. Sie hatte schon erlebt, wie er einen übereifrigen Kriminalmeister mit den Worten zügelte: »Nur ruhig Blut, Sergeant. Sie sind kein Arzt. Außerdem werden die Toten davon auch nicht wieder lebendig.«
    Jetzt wandte er sich an Claudia Etienne. »Wollen wir also hinaufgehen?«
    Sie nickte und richtete noch rasch ein paar Worte an die drei Gesellschafter, die, zusammen mit Lord Stilgoe, stumm beieinanderstanden, als warteten sie auf weitere Anweisungen. »Vielleicht geht ihr besser rauf in den Sitzungssaal. Ich komme nach, sobald ich kann.«
    Lord Stilgoe erklärte gefaßter, als Kate es ihm zugetraut hatte: »Ich kann leider nicht länger warten, Commander. Darum hatte ich auch so einen frühen Termin mit Mr. Etienne vereinbart. Ich wollte mich noch rasch bei ihm erkundigen, wie es mit meinen Memoiren vorangeht, bevor ich mich in der Klinik einem kleinen Eingriff unterziehe. Ich bin dort um Punkt elf angemeldet, und ich möchte nicht riskieren, daß ich den Anspruch auf mein Bett verliere. Aber ich werde entweder Sie oder den Commissioner im Yard vom Krankenhaus aus anrufen.«
    Kate spürte, daß sowohl de Witt als auch Dauntsey diesen Vorschlag mit Erleichterung begrüßten.
    Das kleine Grüppchen schritt durch den offenen Bogengang in die Halle. Kate schnappte vor Bewunderung nach Luft. Sekundenlang verharrte sie reglos, widerstand aber der Versuchung, ihre Blicke allzu offenkundig schweifen zu lassen. Die Polizei drang zwangsläufig in anderer Leute Privatsphäre ein; da wäre es anstößig gewesen, sich obendrein noch wie ein zahlender Tourist aufzuführen. Trotzdem hatte sie das Gefühl, in diesem einen Moment der Offenbarung alle Details der fürstlichen Halle gleichzeitig wahrzunehmen: den kunstvoll gefliesten Mosaikfußboden, die sechs gesprenkelten Marmorsäulen mit den elegant geschnitzten Kapitellen, das illuminierte Deckengemälde, ein glanzvolles Panorama von London im achtzehnten Jahrhundert mit Brücken, Kirch- und Wehrtürmen, mit Palästen und Wohnhäusern, stolzen, seetüchtigen Schiffen, allesamt verbunden durch das blaue Band der Themse, und endlich die imposante, doppelläufige Treppe mit der elegant geschwungenen Balustrade, an deren Ende jauchzende Bronzeputten, die auf Delphinen ritten, kugelförmige Lampen emporhielten. Je weiter sie hinaufstiegen, desto unaufdringlicher erschien die Pracht ringsumher, und das Dekor wurde zunehmend schlichter, aber es blieb ein würdiges, wohlproportioniertes und stilvolles Ambiente, durch das sie entschlossen der brutalen Entweihung entgegenschritten, die ein Mord immer bedeutet.
    Im dritten Stock bemerkte Kate eine mit grünem Boi überzogene Tür, die offenstand. Sie erklommen eine schmale Stiege, Claudia Etienne voran, Dalgliesh dicht hinter ihr und Kate als Schlußlicht. Die Treppe machte eine Biegung nach rechts und führte sie in ihrem letzten Teilstück auf einen engen, nur etwa drei Meter breiten Flur mit einer vergitterten Fahrstuhltür zur Linken. An der rechten Wand befand sich gar keine Tür, links aber war eine geschlossene und gleich vor ihnen eine zweite, die offenstand.
    Claudia Etienne sagte: »Das ist unser Aktenarchiv, in dem wir die Dokumente der Verlagsgeschichte aufbewahren. Zu dem kleinen Nebenraum geht’s gleich hier durch.«
    Das Archiv hatte ursprünglich offenbar aus zwei Räumen bestanden, doch war die Zwischenwand

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