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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Leichnam, der obendrein noch so grotesk hergerichtet ist wie dieser, schockiert die Sinne und beeinträchtigt erst mal die Wahrnehmung. Aber nach einer Minute etwa habe ich schon auch andere Dinge registriert, und zwar mit der gewohnten Klarheit. Das Zimmer kam mir verändert vor, irgendwie eigenartig. Es wirkte wie ausgeräumt, obwohl es das nicht war, und außerdem unnatürlich sauber und wärmer als gewöhnlich. Die Leiche sah so… so unordentlich aus; das Zimmer dagegen war geradezu penibel aufgeräumt. Der Stuhl stand ganz genau an seinem Platz, die Akten lagen fein säuberlich gestapelt auf dem Tisch. Mir ist natürlich auch gleich aufgefallen, daß mein Diktiergerät weg war.«
    »Waren die Akten noch so sortiert, wie Sie sie hinterlassen hatten?«
    »Wenn ich mich recht entsinne, nicht. Die beiden Ablagekörbe sind auf jeden Fall vertauscht worden. Der, in dem weniger Ordner liegen, sollte links stehen. Ich hatte zwei Stapel, und der rechte war höher als der linke. Ich arbeite von links nach rechts, mit sechs bis zehn Ordnern gleichzeitig, je nach Umfang. Bin ich mit einer Akte fertig, dann lege ich sie rechts ab. Und wenn alle sechs durchgesehen sind, stelle ich sie wieder vor ins Hauptarchiv und markiere mit einem Lineal, wie weit ich gekommen bin.«
    Dalgliesh sagte: »Ja, das Lineal haben wir auf dem untersten Fach in der zweiten Reihe gefunden. Heißt das, Sie haben erst eine einzige Reihe geschafft?«
    »Die Arbeit ist eben sehr zeitaufwendig. Und ich neige dazu, mich in alten Briefen festzulesen, selbst wenn es sich nicht lohnt, sie aufzuheben. Ich habe allerdings auch schon viele gefunden, bei denen es sich sehr wohl lohnt – Briefe von namhaften Autoren dieses Jahrhunderts und anderen Persönlichkeiten, die mit Henry Peverell und seinem Vater korrespondiert haben, auch wenn sie nicht für den Verlag schrieben. Es sind Briefe von H. G. Wells und Arnold Bennett dabei, von Mitgliedern des Bloomsbury-Kreises und ein paar, die sogar noch weiter zurückgehen.«
    »Und nach welchem System arbeiten Sie?«
    »Zu jeder Akte diktiere ich eine Kurzfassung des Inhalts und meine Empfehlung – also ›Vernichten‹, ›Zweifelhaft‹, ›Aufbewahren‹ oder ›Wichtig‹ – auf Band. Danach erstellt eine Schreibkraft eine Liste, die in regelmäßigen Abständen vom Vorstand überprüft wird. Bislang ist noch nichts weggeworfen worden. Es schien uns nicht ratsam, etwas zu vernichten, solange nicht über die Zukunft des Verlages entschieden ist.«
    »Verstehe. Und wann haben Sie diesen Raum das letztemal benutzt?«
    »Am Montag. Da hab’ ich den ganzen Tag hier gearbeitet. Gegen zehn hat Mrs. Demery mal kurz reingeschaut, aber sie wollte mich nicht stören. Die Archivräume werden nur etwa einmal im Monat geputzt, und auch dann nur oberflächlich. Sie hat mich allerdings rasch noch auf die durchgescheuerte Zugschnur am Oberlicht aufmerksam gemacht, und ich versprach ihr, George Bescheid zu sagen, damit er sie auswechselt. Bin allerdings bis jetzt noch nicht dazu gekommen.«
    »Ihnen war die defekte Schnur also nicht aufgefallen?«
    »Leider nicht, nein. Das Oberlicht hat schon wochenlang offengestanden. Ich hab’ nun mal gern frische Luft. Aber sobald es kälter wird, wär’s mir wahrscheinlich auch aufgefallen.«
    »Apropos, wie heizen Sie dieses Zimmer?«
    »Nur mit einem elektrischen Heizgerät. Ist übrigens mein eigenes. Mir ist so ein Elektrogerät lieber als der Gasofen. Das soll nicht heißen, daß ich den für gefährlich gehalten hätte, aber ich bin Nichtraucher und habe daher nie Streichhölzer zur Hand. Da war es einfacher, den Elektrostrahler aus meiner Wohnung mit rüberzubringen. Er ist ganz leicht, und ich nehme ihn abends entweder wieder mit oder lasse ihn gleich da, falls ich am nächsten Tag hier oben weiterarbeiten will. Am Montag habe ich ihn mit heimgenommen.«
    »Und die Tür war unverschlossen, als sie den Raum verließen?«
    »Ganz bestimmt. Ich schließe nie ab. Der Schlüssel steckt zwar immer, für gewöhnlich auf dieser Seite, aber ich hab’ ihn noch nie benutzt.«
    »Das Schloß sieht relativ neu aus«, sagte Dalgliesh. »Wer hat es anbringen lassen, wissen Sie das zufällig?«
    »Henry Peverell. Er hat ab und zu gern hier oben gearbeitet. Ich weiß nicht, warum er das Schloß auswechseln ließ, aber er war ein ziemlicher Einzelgänger, vielleicht fühlte er sich mit einem funktionierenden Schloß einfach sicherer, abgeschirmter. Direkt neu ist es übrigens nicht – im

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