Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
Vom Netzwerk:
welche
Zielgruppe hier angeworben werden sollte, war nicht erkennbar. An
anderen Türen befanden sich kleine polierte Schildchen mit unbekannten
Namen. Es herrschte völlige Stille.
    Die Tür war mit zwei Sicherheitsschlössern ausgerüstet, aber
sie fanden problemlos die richtigen Schlüssel an Miss Gradwyns Bund,
und die Tür ließ sich leicht öffnen. Dalgliesh tastete nach dem
Lichtschalter. Sie betraten einen eichengetäfelten kleinen Vorraum. Auf
der verschnörkelten Stuckdecke stand die Jahreszahl 1684. Ein
Pfostenfenster an der hinteren Seite gab den Blick auf eine geflieste
Terrasse frei, auf der außer dem kahlen Baum in dem gigantischen
Terrakottatopf, der dort stand, kaum noch etwas Platz hatte. Auf der
rechten Seite befand sich eine Reihe Kleiderhaken, darunter ein
Schuhregal, auf der linken ein rechteckiger Eichentisch. Darauf lagen
vier Umschläge, die offensichtlich Rechnungen oder Kataloge enthielten.
Dalgliesh vermutete, dass sie gekommen waren, bevor Miss Gradwyn am
Donnerstag zum Manor aufgebrochen war, und sie keine Veranlassung
gesehen hatte, die Umschläge vor ihrer Rückkehr zu öffnen. Das einzige
Bild im Raum war ein kleines Ölgemälde über dem Steinkamin. Es zeigte
das lange, empfindsame Gesicht eines Mannes aus dem siebzehnten
Jahrhundert. Auf den ersten Blick hielt Dalgliesh es für eine Kopie des
bekannten Porträts von John Donne. Er schaltete die Lichtleiste an, die
das Porträt beleuchtete, und betrachtete es einen Moment lang
schweigend. Dadurch, dass es als einziges Bild in einem Raum hing, das
ein Durchgangszimmer war, nahm es eine ikonische Kraft an, empfing den
Besucher wie ein Hausdiener. Als er das Licht wieder abschaltete,
fragte sich Dalgliesh, ob Rhoda Gradwyn das wohl auch so gesehen hatte.
    Eine Holztreppe führte in den ersten Stock. Vorne befand sich
die Küche, dahinter ein kleines Esszimmer. Die Küche war
außergewöhnlich gut eingerichtet und ausgestattet, das Refugium einer
Frau, die etwas vom Kochen verstand, auch wenn weder die Küche noch das
Esszimmer darauf schließen ließen, dass sich hier kürzlich jemand
aufgehalten hatte. Sie stiegen die zweite Treppe hinauf. Dort war ein
Gästezimmer mit zwei Einzelbetten, deren identische Tagesdecken straff
festgesteckt waren. Dazu gehörten eine Dusche und eine Toilette, mit
Blick auf den Vorplatz. Wieder deutete nichts in beiden Räumen darauf
hin, dass sie benutzt worden wären. Das Zimmer darüber war diesem sehr
ähnlich. Offenbar war es Miss Gradwyns Schlafzimmer, denn dort stand
nur ein einziges Bett. Auf einem Nachttisch waren eine moderne
Anglepoise-Lampe, eine Reiseuhr, die in der Stille unnatürlich laut
tickte, sowie drei Bücher: Claire Tomalins Pepys-Biographie, ein
Gedichtband von Charles Causley sowie eine Anthologie mit modernen
Kurzgeschichten. Das Badezimmerregal enthielt sehr wenige Töpfe und
Cremes. Aus weiblicher Neugierde heraus hatte Kate die Hand danach
ausgestreckt, zog sie aber gleich wieder zurück. Wenn Dalgliesh und sie
die persönliche Welt eines Opfers betraten, waren sie sich stets dessen
bewusst, dass ihre Anwesenheit zwar notwendig war, aber dennoch immer
ein Eindringen in eine Privatsphäre darstellte. Kate, das wusste er,
hatte schon immer unterschieden zwischen der Pflicht, bestimmte
Gegenstände zu untersuchen und mitzunehmen, und ihrem natürlichen
Interesse an einem Leben, das keine menschliche Macht mehr zu verletzen
oder zu beschämen vermochte. Sie sagte lediglich: »Es sieht nicht so
aus, als hätte sie versucht, die Narbe kosmetisch zu verbergen.«
    Schließlich erreichten sie das oberste Stockwerk und betraten
einen Raum, der über die ganze Länge des Gebäudes reichte. Die Fenster
gingen sowohl nach Osten wie nach Westen und boten einen Panoramablick
über die City. Erst in diesem Zimmer bekam Dalgliesh das Gefühl, in
eine geistige Beziehung zu seiner Bewohnerin zu treten. In diesem
Zimmer hatte sie gelebt, gearbeitet, geruht, vor dem Fernseher
gesessen, Musik gehört und nichts und niemanden außerhalb dieser vier
Wände gebraucht. Eine davon war beinahe vollständig von einem elegant
gestalteten Bücherregal mit verstellbaren Fächern eingenommen. Genau
wie er selbst hatte auch sie Wert darauf gelegt, dass die Regalhöhe auf
die Bücher abgestimmt war. Links von dem Regal stand ihr
Mahagonischreibtisch, der wohl aus der Zeit Eduards VII. stammte. Er
war eher praktisch als dekorativ zu nennen, mit Schubladen links und
rechts. Die Schubladen auf der rechten Seite waren

Weitere Kostenlose Bücher