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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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genau wie sie Teil ihrer Pracht und Freude
war. Wie viel davon hatte sie eigentlich mitbekommen in all den Jahren,
in denen sie hinter den neugotischen Mauern der renommierten
Mädchenschule unterrichtet hatte? Mit wie vielen Menschen hatte sie zu
tun gehabt, die anders waren als sie selbst, die nicht aus ihrer
eigenen Schicht kamen, die nicht die gleichen Werte und Vorurteile
hatten, die nicht dieselbe Sprache sprachen wie sie?
    Aber es war noch nicht zu spät. Eine andere Welt, andere
Gesichter, andere Stimmen warteten dort draußen darauf, entdeckt zu
werden. Es gab immer noch Orte, die nur selten besucht wurden, Pfade,
die noch nicht von Millionen Füßen festgetrampelt worden waren,
legendenumwobene Städte, die in den stillen Stunden vor dem ersten
Morgenlicht friedlich dalagen, bevor die Touristen aus ihren Hotels
ausschwärmten. Sie würde per Schiff, Zug, Bus und zu Fuß reisen, eine
gute persönliche CO 2 -Bilanz
haben. Sie hatte genügend gespart, um drei Jahre auszukommen, dann wäre
immer noch genug übrig, um irgendwo in England ein abgelegenes Cottage
zu kaufen. Außerdem war sie rüstig und hatte eine gute Ausbildung. In
Asien, Afrika und Südamerika gab es vielleicht nützliche Arbeit zu
verrichten. In den Jahren, als sie mit einer Kollegin auf Reisen
gegangen war, hatte sie immer in den Schulferien verreisen müssen, die
schlechteste Zeit, in der am meisten Betrieb war. Diese Reise würde sie
alleine unternehmen, und sie würde anders werden. Sie hätte sie als
Reise zur Selbstfindung bezeichnen können, aber der Begriff schien ihr
eher hochtrabend als zutreffend. Wenn sie nach sechzig Jahren noch
nicht wusste, wer und was sie war? Das Motto dieser Reise lautete nicht
Selbstbestätigung, sondern Veränderung.
    Am Steinkreis machte sie kehrt und ging forschen Schrittes
zurück zum Manor.
    »Das bedaure ich sehr, aber du wirst es
selbst am besten wissen, das war schon immer so«, sagte Helena. »Und
wenn ich dich brauche …«
    Lettie unterbrach sie: »Wirst du nicht.«
    »Die üblichen Plattheiten können wir uns sparen, aber du wirst
mir fehlen. Und das Manor läuft nicht weg. Wenn du das
Herumvagabundieren leid bist, kannst du jederzeit nach Hause kommen.«
    Doch so ehrlich diese Worte gemeint waren, so oberflächlich
blieben sie. Lettie sah, dass Helenas Blick auf die Stallungen
gerichtet war, wo das morgendliche Sonnenlicht wie ein goldener
Schatten auf die Mauern fiel. Sie plante bereits die Renovierung, sah
sich im Geiste die Gäste begrüßen, mit Dean über die Speisenfolge
diskutieren. Vielleicht bekamen sie irgendwann einen Michelin-Stern,
womöglich zwei, und wenn das Restaurant erfolgreich lief, würde Dean
sich zu Georges Zufriedenheit für immer im Manor niederlassen.
Glücklich träumend stand sie da und wappnete sich für die Zukunft.

3
    D er Hochzeitsgottesdienst in Cambridge war
vorüber, und die Gäste zogen bereits Richtung Vorraum. Clara und Annie
blieben noch sitzen und lauschten der Orgel. Bach und Vivaldi waren
schon gespielt worden, und nun verwöhnte der Organist sich selbst und
die Gemeinde mit der Variation einer Bach-Fuge. Während sie vor dem
Gottesdienst im Sonnenschein mit einer kleinen Gruppe weiterer
Frühankömmlinge gewartet hatten, hatten sich alle einander vorgestellt.
Auch eine junge Frau im Sommerkleid war dabei gewesen. Ihre kurzen,
hellbraunen Haare umrahmten ein attraktives und intelligentes Gesicht.
Sie hatte sich lächelnd als Kate Miskin vorgestellt, Mitarbeiterin in
Mr. Dalglieshs Einheit. Auch Piers Tarrant, den jungen Mann, der sie
begleitete, stellte sie vor, und einen gutaussehenden jungen Inder, der
Detective Sergeant in Adams Team war. Auch andere hatten sich
dazugesellt, Adams Verleger, Schriftsteller- und Dichterkollegen und
ein paar von Emmas Kollegen aus dem College. Es war eine fröhliche,
nette Gruppe, die zögerlich in die Kirche hineinging, als würde sie nur
widerwillig die Schönheit der von der Maisonne beleuchteten Steinmauern
und des Rasens gegen die kühle Strenge des Vorraums eintauschen wollen.
    Der Gottesdienst hatte nicht lange gedauert, es wurde zwar
Musik gespielt, aber auf eine Predigt war verzichtet worden. Vielleicht
hatten Braut und Bräutigam das Gefühl gehabt, die alte Liturgie würde
alles Nötige bereits beinhalten, ohne Konkurrenz durch die üblichen
abgedroschenen Ermahnungen bekommen zu müssen.
    Emmas Vater saß in der ersten Reihe. Die herkömmliche
symbolische Geste, seinen Besitz in die Hände eines anderen zu

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