Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod
das
Auto ausfindig gemacht, Sir. Es ist ein Ford Focus mit dem Kennzeichen
W 341 UDG.«
»Das ging ja schnell, Sergeant. Gratulation.«
»Die habe ich nicht verdient, Sir. Es war reines Glück. Der
Enkel der Shepherds kam am Freitag spätabends an, um das Wochenende bei
ihnen zu verbringen. Gestern war er den ganzen Tag zu Besuch bei einer
Freundin, wir haben ihn erst heute Morgen gesehen. Er ist ein paar
Meilen mit seinem Motorrad hinter dem Auto hergefahren, bis es beim
Steinkreis gehalten hat. Das war am Freitag gegen elf Uhr
fünfunddreißig. Nur der Fahrer saß im Auto, und er hat die Scheinwerfer
ausgeschaltet, als er den Wagen parkte. Ich habe den Enkel gefragt,
warum ihm das Kennzeichen aufgefallen ist, und er hat gesagt, die 341
sei eine sogenannte ›brilliant number‹.«
»Ich bin froh, dass die Zahl sein Interesse geweckt hat. Aber
was bedeutet bitte ›brilliant number‹? Was ist an dieser Zahl so
brillant, dass sie ihn derartig fasziniert hat?«
»Das ist offenbar ein mathematischer Begriff, Sir: 341 ist
deshalb eine ›brilliant number‹, weil sie zwei Primfaktoren hat, 11 und
31. Wenn man die multipliziert, erhält man 341. Produkte zweier
Primfaktoren mit gleich vielen Stellen werden als ›brilliant numbers‹
bezeichnet und in der Kryptographie verwendet. Offenbar ist 341 auch
die Summe der Quadrate der Teiler von 16, aber ich glaube, die beiden
Primfaktoren haben ihn mehr beeindruckt. Mit UDG hatte er kein Problem.
Er merkt sich das mit dem Begriff
›Unter-Durchschnittliches-Gedächtnis‹ – was bei ihm wohl kaum
zutrifft, Sir.«
»Mit dieser Rechnerei kann ich nichts anfangen«, meinte
Dalgliesh, »aber wir müssen hoffen, dass er recht hat. Es lässt sich
doch sicherlich jemand finden, der das bestätigt.«
»Ich denke, diese Mühe erübrigt sich, Sir. Er hat gerade sein
Mathematikstudium in Oxford mit Bestnote abgeschlossen. Offenbar kann
er hinter keinem Fahrzeug herfahren, ohne Zahlenspiele mit dem
Nummernschild anzustellen.«
»Auf wen ist das Auto zugelassen?«
»Das ist eine kleine Überraschung. Es ist ein Geistlicher.
Reverend Michael Curtis. Wohnhaft in Droughton Cross. St. John's Church
Vicarage, 2 Balaclava Gardens. Das ist ein Vorort von Droughton.«
Die Industriestadt in den Midlands konnte über die Autobahn in
wenig mehr als zwei Stunden erreicht werden. »Danke, Sergeant«, sagte
Dalgliesh. »Wir fahren nach Droughton Cross, sobald wir hier fertig
sind. Vielleicht hat der Fahrer des Wagens nichts mit dem Mord zu tun,
aber wir müssen herausfinden, weshalb er sein Auto beim Steinkreis
abgestellt und was ihm eventuell aufgefallen ist. Gibt es sonst noch
etwas, Sergeant?«
»Die Spurensicherung hat noch etwas entdeckt, Sir, bevor sie
wieder abgefahren sind. Eher eine Kuriosität als etwas von Bedeutung,
einen Stapel von acht alten Postkarten, alle aus dem Ausland, alle aus
dem Jahr 1993 und so durchgeschnitten, dass bei jeder die Adresse auf
der rechten Seite fehlt. Es ist daher nicht ersichtlich, wer der
Empfänger war, aber sie lesen sich, als wären sie an ein Kind
geschrieben. Sie waren fest in Alufolie gewickelt und steckten in einer
Plastiktüte. Das Päckchen war neben einem der Cheverell-Steine
vergraben. Der Kollege von der Spurensicherung war sehr aufmerksam und
hat bemerkt, dass an der Grasdecke manipuliert worden war, allerdings
schon vor längerer Zeit. Schwer zu sagen, was die Postkarten mit Miss
Gradwyns Tod zu tun haben könnten. Wir wissen, dass jemand in der Nacht
mit einer Lampe bei dem Steinkreis war, aber wenn er oder sie die
Postkarten gesucht hat, dann vergeblich.«
»Haben Sie sich schon erkundigt, wem sie gehören könnten?«
»Ja, Sir. Die Leute tippen auf Sharon Bateman, deshalb habe
ich sie in die Alte Wache bestellt. Sie hat bestätigt, dass es ihre
sind. Ihr Vater hätte sie ihr geschickt, nachdem sie von zu Hause
weggegangen sei. Sharon ist ein seltsames Mädchen, Sir. Als ich die
Karten vor ihr ausgebreitet habe, wurde sie so bleich, dass DC Warren
und ich befürchteten, sie könnte ohnmächtig werden. Ich habe ihr einen
Stuhl angeboten, aber mittlerweile glaube ich, dass es Wut war, Sir.
Ich konnte ihr ansehen, dass sie sich die Dinger am liebsten geschnappt
hätte, aber sie hat sich zurückgehalten. Danach war sie völlig ruhig.
Diese Postkarten sind das Kostbarste, was sie besitzt, hat sie gesagt,
und als sie ins Manor kam, hat sie die Karten bei dem Stein vergraben,
weil das ein besonderer Ort ist, wo sie sicher sind. Ich war
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