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Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod

Titel: Adam Dalgliesh 14: Ein makelloser Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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das Manor entscheiden, würde ich Ihnen raten, sich einen oder zwei Tage Zeit für einen vorbereitenden Besuch zu nehmen. Es ist mir lieber, wenn sich die Patienten vorher ansehen, wo man sich um sie kümmern wird. Es trägt zur Beruhigung bei, wenn man nicht an einen völlig fremden Ort kommt.«
    »Wird die Wunde schmerzhaft sein, nach der Operation, meine ich?«
    »Nein, das ist unwahrscheinlich. Es brennt vielleicht ein bisschen, und es wird eine beträchtliche Schwellung geben. Sollten Sie Schmerzen haben, geben wir Ihnen etwas.«
    »Bekomme ich einen Kopfverband?«
    »Keinen Verband. Eine Kompresse mit Klebeband.«
    Es blieb noch eine Frage, und sie scheute sich nicht, sie zu stellen, auch wenn sie meinte, die Antwort schon zu kennen. Sie fragte nicht aus Furcht und hoffte, er würde das verstehen, und wenn nicht, war es auch nicht schlimm. »Ist die Operation gefährlich?«
    »Keine Vollnarkose ist ganz ohne Risiko. Die Operation an sich kostet Zeit, ist schwierig und wahrscheinlich nicht ganz unkompliziert. Aber das soll meine Sorge sein, nicht Ihre. Ich würde den Eingriff als chirurgisch nicht gefährlich bezeichnen.«
    Sie fragte sich, ob er damit auf andere Gefahren verweisen wollte, vielleicht auf seelische Probleme nach einer so drastischen Veränderung des Aussehens. Damit rechnete sie jedoch nicht. Sie hatte vierunddreißig Jahre lang mit den Auswirkungen der Narbe leben müssen. Da würde sie wohl mit ihrem Verschwinden zurechtkommen.
    Er fragte sie noch, ob sie irgendwelche anderen Probleme hatte. Sie verneinte. Er stand auf, und als sie sich die Hand gaben, lächelte er zum ersten Mal. Das Lächeln verwandelte sein Gesicht. »Meine Sekretärin wird Ihnen den Termin für die Tests im St. Angela's zusenden«, sagte er. »Könnte das ein Problem werden? Sind Sie in den nächsten zwei Wochen in London?«
    »Ich bin in London.«
    Sie folgte Mrs. Snelling in ein Büro am Ende des Flurs im Erdgeschoss. Dort überreichte ihr eine Frau mittleren Alters eine Broschüre über Cheverell Manor und seine Einrichtungen und informierte sie über die Kosten sowohl des vorbereitenden Besuchs, den Mr. Chandler-Powell für ratsam halte, wie sie erklärte, der allerdings nicht obligatorisch sei, als auch über die höhere Summe für die eigentliche Operation einschließlich einer Woche postoperativen Aufenthalts in der Klinik. Mit hohen Kosten hatte sie gerechnet, aber die Wirklichkeit übertraf ihre Schätzungen. Kein Zweifel, dass sich in diesen Zahlen neben medizinischem auch gesellschaftliches Prestige spiegelte. Sie meinte sich an die Worte einer Dame zu erinnern: »Aber natürlich, ich gehe nur ins Manor.« Als symbolisiere der Landsitz den Zugang zu einem Zirkel privilegierter Patienten. Sie wusste, dass sie die Operation auch von der Krankenkasse hätte bezahlen lassen können, aber für nicht dringende Fälle gab es eine Warteliste, außerdem legte sie Wert auf Vertraulichkeit. Vertraulichkeit und geringe Wartezeit waren allenthalben zu einem kostspieligen Luxus geworden.
    Nur dreißig Minuten nach ihrem Eintreffen wurde sie wieder verabschiedet. Sie hatte noch eine Stunde Zeit bis zu ihrer Verabredung im Ivy. Sie würde zu Fuß gehen.

4
    I n einem beliebten Restaurant wie dem Ivy
durfte man nicht auf Anonymität hoffen, aber so wichtig ihr
gesellschaftliche Diskretion auf allen anderen Gebieten war, im
Zusammenhang mit Robin machte sie sich darum keine Gedanken. In einer
Zeit, in der es für einen schlechten Ruf immer skandalöserer
Indiskretionen bedurfte, hätte nicht einmal das trostloseste
Klatschblatt der Enthüllung, dass die bekannte Journalistin Rhoda
Gradwyn mit einem zwanzig Jahre jüngeren Mann zu Mittag aß, auch nur
einen Absatz gewidmet. Sie hatte sich an ihn gewöhnt; er amüsierte sie.
Er öffnete ihr die Bereiche des Lebens, in denen sie – wenn
auch nur indirekt – Erfahrungen sammeln wollte. Und er tat ihr
leid. Das war nicht gerade eine Basis für Vertraulichkeiten, und was
sie anging, gab es auch keine. Er beichtete, sie hörte zu. Aber eine
gewisse Befriedigung musste ihr die Beziehung wohl doch verschaffen,
wie hätte sie sich sonst erklären sollen, dass sie immer noch bereit
war, ihm Zugang zu einem der Sperrgebiete ihres Lebens zu gewähren?
Wenn sie über diese Freundschaft nachdachte, was selten genug vorkam,
erschien sie ihr wie eine Gewohnheit, die keine größeren Investitionen
erforderte als ein gelegentliches Mittag- oder Abendessen auf ihre
Kosten, und mit ihr Schluss zu

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