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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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treffen, junger Mann.« Das war keine Entschuldigung, sondern ein Vorwurf. Und sofort setzte der Singsang wieder ein.
    »Das meine ich, Frau Blemmer, können Sie damit aufhören… Bitte.«
    Ein Schnauben, und dann war Ruhe.
    Ich bekam eine Hose, ein paar Stiefel und Handschuhe für die Violine meines Sturmbannführers.
    Máme hätte mir fast das Geschäft versaut, weil sie den bärtigen Mann, mit dem ich zu feilschen versuchte, wie eine Furie angebrüllt hatte. Aber irgendwie gelang der Handel doch noch. Der Bärtige und ich überschrien ihr Gezeter einfach.
    »Gáslen, elender«, zischte Frau Blemmer, als wir den Hinterhof verließen.
    »Ich?«
    »Sie? Nein, Sie sind ein bedauernswerter Idiot, für die Fidl hätten Sie auch bessere Schuhe kriegen können. Der schlimme Mensch, der Sie übers Ohr gehauen hat, das ist ein Gáslen. Schauen Sie sich das doch an. Das ist alles verramscht.«
    Als ich links abbiegen wollte, boxte sie mich in den Rücken.
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Nach Hause. Und würden Sie bitte aufhören mich zu schlagen, Frau Blemmer«, antwortete ich.
    »Wir gehen nicht nach Hause, wir gehen ins Kaffeehaus. In das gute.«
    Es sollte eine Einladung sein, aber es klang wie eine Kriegserklärung.
    Das Kaffeehaus war ein schlecht beleuchteter, überfüllter Raum, die Preise absurd, aber hier konnte man Delikatessen wie Schokolade und schwarzen Tee mit Zucker bestellen. Die wenigsten Ghettobewohner konnten sich so etwas leisten, und wir gehörten zu diesen wenigen Glücklichen.
    »Wie lange werden Sie durchhalten, Adam?« Es war, als ob Frau Blemmer ihre Nilpferdhaut abgestreift hätte. Da war keine Bösartigkeit in ihrer Stimme, eher Neugier und sogar ein Hauch von Fürsorge.
    »Was meinen Sie?«
    »Ihre Rolle als mein Beschützer. Sie sind nicht der Erste, den Abraham ausgewählt hat.«
    Und dann erzählte sie mir von David, der mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Töchtern im Ghetto gewohnt hatte.
    David hatte unentwegt nach einer Möglichkeit gesucht, mit seiner Familie zu fliehen und auf der arischen Seite unterzutauchen. Aber ihm fehlten die finanziellen Mittel. Eines Tages geriet er an Rafal, und der Polizist setzte sich mit Abraham in Verbindung. Es dauerte nicht lange, bis Abraham David sein Angebot unterbreitet hatte: David sollte im Ghetto bei Máme Blemmer bleiben, dafür würde Abraham dessen Frau und Kinder rausholen und an einen sicheren Ort bringen lassen.
    David stimmte zu.
    Einige Monate später war er allerdings zu etwas Geld gekommen, mit dem er nun auch seine eigene Flucht hätte finanzieren können. Er bat Ruth um die Erlaubnis, zu gehen, und sie war einverstanden. Abraham ließ ihm jedoch durch Rafal ausrichten, dass das gegen die Vereinbarung wäre. Der Schutz für Frau und Kinder würde nur so lange aufrechterhalten, wie David seine Aufgabe im Ghetto erfüllte.
    David, der wusste, wo seine Familie versteckt wurde, beschloss trotz Abrahams Drohung, die Flucht zu wagen und selbst für sie zu sorgen.
    Frau Blemmer schnaufte.
    »Und dann? Hat er es geschafft?«
    »Natürlich nicht. David ist auf der Flucht erschossen worden, und mein Sohn hat die Frau und die zwei Mädchen vor die Tür setzen lassen. Noch in derselben Nacht. Rafal arbeitet schnell. Ich weiß nicht, wen ich mehr verachten soll, meinen Sohn oder Rafal.«
    Die Tasse in ihrer Hand zitterte.
    »Die Menschen sind schlecht, Adam. Für ein bisschen Gold tun sie alles.«
    »Bezahlt Ihr Sohn den Polizisten?«
    »Was denken Sie denn? Rafal ist sein Spion, sein Lakai. Abraham lässt mir regelmäßig Geld zukommen. Die Hälfte steckt Rafal ein, und ein anderer Teil wandert zu irgendeinem Verbrecher, der beim Judenrat arbeitet.«
    »Warum?«
    »Bestechung. Damit nicht irgendwelche Leute in unsere Wohnung einquartiert werden. Hier ein eigenes Zimmer zu besitzen, ist Luxus.« Sie lächelte bitter.
    Einen Moment lang schwiegen wir beide, und erst jetzt bemerkte ich, dass Musik spielte, dass Paare, verliebte oder auch nicht verliebte, in der Mitte des Raumes tanzten.
    »Ich habe meinen Sohn gebeten, mir keinen neuen Beschützer zu schicken.« Sie sah mich nicht an.
    »Aber ich bin hier«, sagte ich mit fester Stimme.
    »Ja. Sie erleichtern Abrahams Gewissen. Das ist Ihre Rolle in dieser finsteren Komödie.«
    Eine kuhäugige Sängerin in einem schäbigen Abendkleid stimmte einen Schlager an, und Frau Blemmer drängte zum Aufbruch.
    »Ich habe noch eine Frage…«, sagte ich, als Máme bereits stand.
    »Fragen Sie, Adam.«
    »Sie

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