Adams Erbe (German Edition)
Schlafzimmer in so etwas wie ein Wohnzimmer.
Oma wollte nicht am Bahnhof abgeholt werden, sondern kam mit einem Taxi. Mama und ich hatten schon den ganzen Tag am Fenster geklebt. Sie stieg aus dem Wagen. Unsere Suiten lagen im dritten Stock, aber selbst von hier oben konnte ich Lara Cohens Schwanenhals und ihren skeptischen Blick erkennen.
Während Mama und ich noch überlegten, ob wir ihr entgegengehen sollten, klopfte Oma schon an der Tür.
Einen Moment lang blieben wir drei voreinander stehen und suchten etwas in dem Gesicht unseres Gegenübers. Ich kann nicht sagen, ob wir es gefunden haben. Magda Cohen machte den Anfang und umarmte ihre Mutter. Dann war ich an der Reihe. Ich hatte Oma seit über zwei Jahren nicht gesehen, und das ist eine verdammt lange Zeit für einen Elfjährigen.
»Du bist gewachsen, Edward.« Sie tätschelte mein Gesicht. »Er könnte wirklich Adams Zwilling sein.« Da war er wieder, der Name, den ich schon fast vergessen hatte. Opas Bruder, Adam.
»Alle Kinder wachsen«, sagte ich.
»Und er spricht wie Adam, er spricht genauso wie Adam«, fuhr Oma fort.
Adams Nase, Adams Mund, Adams Augen und jetzt auch noch Adams Stimme.
Wieder streichelte Oma meine Wangen, ganz leicht. Ihr Blick war unsicher und sanft. Wo war die Großmutter, die mich bei unserem Abschied einen dummen Jungen genannt hatte?
Als hätte sie meine Gedanken gelesen, änderte sich ihr Ausdruck schlagartig. Und da war sie wieder, Lara Cohen in Bestform.
»Magda-Liebling, sag mir bitte, dass ihr hier nicht wohnt.«
»Ich… Doch.« Mama kaute nervös auf ihrer Unterlippe.
»Was ist das, ein Stundenhotel?«
Oma inspizierte ein Zimmer nach dem anderen. Wir trotteten ihr hinterher und sahen jedes Mal zu Boden, wenn sie loszeterte. »Ich kann das nicht glauben. Magda, das hier… Also. Mir fehlen die Worte. Was ist das?«
Mama machte den Mund auf, aber es kam nichts heraus, also antwortete ich für sie.
»Das sind zwei Suiten. Da ist die Verbindungstür.«
»Edward, du bist wirklich…«
Ich sollte nie erfahren, was ich wirklich war, denn in diesem Moment betrat Jack die Szene. Mit einer Zigarette im Mundwinkel und einem Blumenstrauß in der Hand verbeugte er sich vor der alten Cohen. »Gnädigste«, hauchte er und überreichte ihr die Lilien. Lara Cohen lachte, so wie sie immer lachte. Auf den Punkt genau.
»Jack, Sie müssen ja eine ganz unglaubliche Karriere bei der Regierung gemacht haben. Man könnte fast meinen, man wäre im Weißen Haus.«
Jetzt lachte auch Jack und warf seinen Kopf in den Nacken.
»Dann gefällt es Ihnen nicht bei uns, Gnädigste?«
»O Jack, gefallen oder nicht gefallen… Das spielt doch keine Rolle. Es wundert mich nur, dass die Regierung einer Weltmacht ihre Leute in… in solchen Räumlichkeiten unterbringt.«
»Oh. Ich verstehe. Aber liebe Frau Cohen, vielleicht haben Sie einfach zu viele Agentenfilme gesehen. Und die haben leider nicht das Geringste mit der Wirklichkeit zu tun.«
Omas Schwanenhals zuckte, als ob er einen Schlag abbekommen hätte. Aber dann ging meine Großmutter zum nächsten Angriff über.
»Und wo kocht Magda? Das hier ist doch keine richtige Küche«, sagte sie und deutete auf die Nische.
»Gnädigste, meine Frau muss nicht kochen. Wir essen außerhalb. Die Regierung zahlt.«
An diesem Abend führte der King uns in das beste Restaurant der Stadt. Ich weiß nicht, wie Jack Moss es fertiggebracht hatte, aber man behandelte uns dort tatsächlich wie Könige.
Der Wein und das gute Essen versöhnten Oma zumindest vorübergehend mit unserem Leben. Sie erzählte uns, dass sie mit dem Gedanken gespielt habe, die Bibliothek an Studenten zu vermieten, es dann aber doch nicht über sich gebracht habe.
»Nicht nach all dem, was dort oben geschehen ist.« Dann sah sie mich an, und ihr Blick zwang mich wieder neben Moses auf den Boden. »Klack, klack, klack«, flüsterte eine Stimme in mein Ohr. »Es hört niemals auf.«
Am nächsten Morgen weckte Mama mich zu einer ungewohnt frühen Uhrzeit. »Eddylein, aufstehen. Du musst in die Schule.« Es hörte sich schrecklich auswendig gelernt an.
»Was muss ich?«, fragte ich noch schlaftrunken. Dann sah ich Oma, die hinter meiner Mutter stand. »Ach ja, ich muss ja in die Schule.« Auch ich klang wie ein Laienschauspieler aus der Provinz. Aber Lara Cohen schöpfte keinen Verdacht. Dafür reichte ihre Phantasie nicht.
Ich zog mich an und packte meine Autos und zwei dreckige T-Shirts in den Schulranzen. Mit dem rumpelnden
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