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Adams Erbe (German Edition)

Adams Erbe (German Edition)

Titel: Adams Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Rosenfeld
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abberufen hätte. Es war sicher kein Tanz auf dem Vulkan, den Hendrik und ich veranstalteten, eher ein Gehüpfe um eine lauwarme Quelle. Auf dem Berg der Kaliken war ich schon lange nicht mehr. Ich bin nicht in den Krater gestürzt, nicht verbrannt, sondern einfach nur hinabgestiegen.
    Hendrik und ich kannten uns schon mehrere Monate, als er mich zum ersten Mal nach meiner Familie fragte. Einen Moment lang wollte ich ihm alles erzählen, wollte versuchen, die ganze Herrlichkeit des Kings in Worte zu fassen. Aber dann entschied ich mich doch für Jack Moss, den Mann, der im Dienst der amerikanischen Regierung gestanden hatte. Ich nannte ihn meinen Vater und verbannte Sören-Gören aus meinem Stammbaum. Vielleicht griff ich wieder auf die Agentenversion zurück, weil ich befürchtete, dass ich Jack nicht gerecht werden konnte. Vielleicht lag es aber auch an Hendriks ständig schweifendem Blick. Zwar konnte alles seine Aufmerksamkeit fesseln, aber immer nur für einen flüchtigen Moment.
    Das machte ihn unverwundbar, denn bevor sein Gegenüber auch nur die Waffen zücken konnte, war Hendrik längst verschwunden. Der einzige Mensch, vor dem er nicht fliehen konnte, war sein Vater, den ich schon bald kennenlernen sollte. Wir fuhren mit dem Zug nach Düsseldorf, um einen Tag und eine Nacht bei Familie Maszuk zu verbringen.
    »Gib ihm einfach immer recht, dann passiert dir nichts«, sagte Hendrik, bevor wir ausstiegen. Auf der letzten Etappe unserer Reise, im Taxi, begannen meine Hände zu schwitzen und mein Puls zu rasen. Ich hatte einst in einer falschen Burg gelebt, in deren Wände man mit der Faust Löcher schlagen konnte. Die Maszuks wohnten in einem echten Schloss aus unverwüstlichen Mauern. Herr Maszuk machte einen erschreckend gesunden Eindruck für einen krebskranken Mann. Seine Statur erinnerte an einen Schwergewichtsboxer und sein Anzug an einen englischen Lord. Die kleinen grauen Augen täuschten Reglosigkeit vor, aber man ahnte, dass diesen Stahlperlen nichts entging. Hendriks Mutter trug eine gigantische Pelzstola, an mehr kann ich mich nicht erinnern. Sobald man die Augen von ihr abwandte, vergaß man ihr Gesicht.
    Der Hendrik, den ich kannte, setzte sich erst gar nicht an den Tisch. Neben mir hockte ein weinerlicher Junge, der eifrig nickte und wie ein Idiot grinste.
    »Was machen die Nieren, Papi?«, fragte er in süßlichem Ton.
    »Mein Mann hat Krebs«, sagte Frau Maszuk zu mir und schob sich ein Stück Kalbsleber in den Mund.
    Ich lächelte unbeholfen.
    »Die Nieren verrotten, lieber Sohn.«
    »Tut es weh, Papi?«
    »Ja, das tut es.«
    »Die Chemotherapie hat nicht geholfen. Mein Mann wird bald sterben, das sagen zumindest die Ärzte. Schmeckt es Ihnen, Edward? Natürlich könnte man es noch einmal mit einer Chemotherapie probieren, aber das will mein Mann nicht. Kaum zu glauben, dass er bald sterben wird. Wenn man ihn so ansieht…«
    Herr Maszuk schlug so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass zwei Gläser umfielen. Die Nieren voll Krebs, der Sohn ein Dummbeutel und die Frau eine pelzbehangene Schwätzerin. Wer wäre da nicht wütend geworden?
    Schweigend beendeten wir den Hauptgang. Erst beim Dessert richtete Herr Maszuk das Wort an mich.
    »Was haben Sie nach dem Studium vor?«
    Während ich über eine Antwort nachdachte, sah ich Maszuk in die Augen, der längst sein Urteil über Edward Moss-Cohen gefällt hatte. Ich war ein Freund seines missratenen Sohnes, also konnte ich nichts Besseres sein.
    Werden wir zwangsläufig das, was andere in uns sehen? Zweifach erblickte ich meine Visage in den stahlgrauen Spiegeln.
    »Ich weiß es nicht genau«, sagte ich kleinlaut.
    »Das ist nicht gut.«
    »Ich habe ja noch ein bisschen Zeit.« Ein erbärmlicher Versuch, mich zu verteidigen.
    »Zeit?«
    Ich nickte.
    »Zeit? Niemand weiß, wie viel Zeit er hat.«
    Minuten später lief sein Boxergesicht rot an. Dann stieß er einen Schrei aus und fasste sich an den Rücken. Frau Maszuk und Hendrik räumten mit geübten Handgriffen den Tisch frei und halfen dem Hausherrn, sich auf das harte Holz zu legen.
    »Das ist der Krebs«, sagte Hendriks Mutter.
    Wir setzten uns wieder auf unsere Plätze, während Herr Maszuk auf der Tischplatte gegen seine Schmerzen ankämpfte. Er starrte an die Decke und biss die Zähne so fest zusammen, dass seine Wangen vibrierten. Frau Maszuk reichte Hendrik und mir die Porzellantellerchen mit dem fast geschmolzenen Eis und läutete nach dem Hausmädchen. Der Kaffee kam.
    »Möchten Sie

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